Erinnerung Des Herzens
schon länger beobachtet hatte. »Anthony Kincade ist hier. Ich weiß wirklich nicht, warum Eve ihn eingeladen hat.«
»Vielleicht will sie auch gar nicht, dass du es verstehst.«
»Nun, zwei ihrer ehemaligen Männer ...«
»Drei«, warf Paul ein. »Gerade kommt Damien Priest auf die Terrasse.«
Julia erkannte ihn sofort. Obwohl er der einzige von Eves Ehemännern war, der nicht im Filmgeschäft steckte, war er eine Berühmtheit auf seinem eigenen Gebiet. Bevor er sich im Alter von fünfunddreißig Jahren zurückgezogen hatte, war Priest ein großer Tennisstar gewesen. Ein Champion von Wimbledon und der Sieger bei zahllosen internationalen Turnieren.
Priest war hochgewachsen und schlank, er hatte eine enorme Reichweite und eine gefährliche Rückhand. Sein offensichtlicher Sex-Appeal konnte keiner Frau entgehen. Als Julia ihn sah, den Arm um die Taille einer jungen Frau gelegt, verstand sie sofort, weshalb Eve ihn geheiratet hatte.
Seine Heirat mit Eve hatte die gesamte Presse mobilisiert. Er war fast zwanzig Jahre jünger als sie gewesen, als sie zusammen nach Las Vegas durchgebrannt waren. Obwohl ihre Ehe nur ein stürmisches Jahr lang gehalten hatte, zehrten die Boulevardzeitungen noch monatelang später davon.
»Drei von vier«, murmelte Julia und fragte sich, was sie daraus machen konnte. »Und dein Vater?«
»Tut mir leid. Nicht einmal diese Party konnte ihn von einer seiner Lear-Aufführungen wegbringen.« Paul leckte die letzten Champagnertropfen aus seinem Glas und fragte sich, wie Julias nackter Rücken wohl unter seiner Zunge schmecken mochte. »Ich habe aber den Auftrag, ihm alles Wissenswerte zu berichten.«
»Hoffen wir, es gibt etwas in der Art.«
»Beschwör keinen Ärger herauf.« Er legte eine Hand auf ihren Arm. »Außer ihren Ehemännern könnte ich dir jede Menge ehemaliger Liebhaber, alter Rivalen und in Ungnade geratener Freunde zeigen.«
»Warum tust du es nicht?«
Er schüttelte den Kopf. »Es sind auch reichlich Leute hier, die wahrscheinlich sehr glücklich wären, wenn die Sache mit dem Buch platzen würde.«
Jetzt war sie doch etwas irritiert. »So wie du.«
»Ja. Ich habe lange darüber nachgedacht, dass irgendjemand bei dir eingebrochen ist und deine Aufzeichnungen durchwühlt hat. Vielleicht war es reine Neugier, aber ich bezweifle es. Ich habe dir von Anfang an gesagt, dass ich nicht will, dass Eve verletzt wird. Ich will auch nicht, dass dir etwas passiert.«
»Wir sind beide erwachsen, Paul. Vielleicht beruhigt es dich, wenn ich dir sage, dass alles, was Eve mir bisher erzählt hat, sehr persönlicher Art ist und gewiß für einige Leute peinlich. Ich glaube aber wirklich nicht, dass irgendetwas davon als Drohung aufgefaßt werden könnte.«
»Sie ist noch nicht fertig. Und sie ...« Er kniff die Augen zusammen und umklammerte mit den Fingern den Glasstiel.
»Was ist los?«
»Da ist noch einer von Eves Freunden namens Michael.« Seine Stimme klang sehr kühl, aber seine Augen waren eiskalt geworden. »Delrickio.«
»Michael Delrickio?« Julia versuchte, den Mann, zu dem Paul so finster hinstarrte, ausfindig zu machen. »Sollte ich ihn kennen?«
»Nein. Und wenn du Glück hast, wirst du den Rest deines Lebens verbringen, ohne ihn kennenzulernen.«
»Warum?« Jetzt entdeckte sie den Mann, der aus Drakes Büro gekommen war. »Ist es dieser würdevoll aussehende Mann mit dem Silberhaar und dem Schnurrbart?«
»Das Aussehen kann täuschen.« Paul gab ihr sein leeres Glas in die Hand. »Entschuldige mich.«
Ohne auf die Leute zu achten, die ihn beim Namen nannten oder versuchten, ihm eine Hand auf den Arm zu legen, ging Paul direkt auf Delrickio zu. Es mag an dem Ausdruck in seinen Augen gelegen haben oder an der Wut, die nicht zuletzt in seinem heftigen Gang zum Ausdruck kam, dass die Leute ihm auswichen und der stämmige Joseph näher an Delrickio heranrückte.
Paul warf einen langen, herausfordernden Blick auf Josephs Muskelpakete, dann fixierte er Delrickio. Der hatte keine Miene verzogen, trotzdem stand Joseph jetzt direkt neben ihm. »Hallo, Paul. Es ist lange her.«
»Zeit ist relativ. Wie bist du durch das Tor geschlüpft, Delrickio?«
Der andere seufzte und legte sich ein zartes Blätterteigteilchen auf den Teller. »Du läßt es immer an Respekt fehlen. Eve hätte mir doch erlauben sollen, dir damals Disziplin beizubringen.«
»Vor fünfzehn Jahren war ich noch ein Junge, und du warst ein Stück Abschaum der Menschheit. Der Unterschied zu heute besteht
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