Erinnerung Des Herzens
so verdammt nahe daran gewesen war, sich zu demütigen.
Es war alles Eves Schuld. Ihre und die der neugierigen Hexe aus dem hinterwäldlerischen Osten.
Sie waren darauf aus, dass sie alles verlor - ihren guten Ruf, ihre Ehe, vielleicht sogar ihre Karriere. Und das alles wegen eines einzigen Fehlers. Wegen eines kleinen Fehlers.
Schniefend strich sie ihrem Mann über die nackte Schulter. Sie fühlte sich fest an, solide, so wie das Vierteljahrhundert einer krisenfesten Ehe. Sie liebte Marcus so sehr. Er sorgte so gut für sie. Wie oft hatte er sie seinen Engel genannt, seinen fleckenlosen, reinen Engel?
Wie sollte er verstehen, wie sollte irgend jemand verstehen, dass die Frau, die ihre Karriere darauf aufgebaut hatte, sommersprossige Jungfrauen zu spielen, eine leidenschaftliche, unerlaubte Affäre mit einem verheirateten Mann gehabt hatte? Und dass sie eine illegale Abtreibung hinter sich hatte, um sich von der Folge dieser Affäre zu befreien?
O Gott, hätte sie selber jemals geglaubt, dass sie sich in Michael Torrent verlieben würde? Das schlimmste dabei war, dass er im Film ihren Vater gespielt hatte, während sie sich heimlich in schmuddeligen Motels getroffen hatten. Ihren Vater!
Wie schrecklich, ihm heute abend von Angesicht zu Angesicht gegenüberzustehen, jetzt, wo er alt war, halb verkrüppelt, fast ein Greis. Sie mochte gar nicht daran denken, dass sie einst seine Geliebte gewesen war. Wie entsetzlich. Sie haßte ihn. Sie haßte Eve. Sie wünschte, sie wären beide tot. Überwältigt von Selbstmitleid, weinte sie in ihre Kissen.
Michael Torrent war an schlimme Nächte gewöhnt. Seine weit vorgeschrittene Arthritis sorgte dafür, dass er fast nie schmerzfrei war. Alter und Krankheit hatten ihn zerstört. Aber heute nacht waren es die Gedanken, die ihm den Schlaf fernhielten, nicht der Körper.
Er konnte das Alter verfluchen, das seinen Körper ruiniert hatte, ihm alle Energie geraubt hatte, ihm nicht einmal die Freuden des Sex gelassen hatte. Er hätte weinen können bei dem Gedanken, dass er früher ein König gewesen war und jetzt nicht einmal mehr ein richtiger Mann. Die Erinnerung daran, was er einst gewesen war, quälte ihn so sehr, als würde sein müder Körper mit heißen Nadeln gepeinigt. Aber das, all das, war im Grunde unbedeutend.
Jetzt drohte Eve damit, ihm auch noch das wenige zu nehmen, was ihm geblieben war, sein Stolz und sein Image.
Vielleicht konnte er nicht mehr auftreten, aber er hätte immer noch seine Legende gehabt. Er wurde geehrt, bewundert, geachtet, seine Fans und die Kollegen hatten ihn als einen großen, alten Mann im Gedächtnis behalten, als einen der Könige aus der romantischen Epoche Hollywoods. Grant und Gable, Power und Flynn waren tot. Aber Michael Torrent, der am Ende seiner Karriere weise alte Großväter gespielt hatte, lebte noch. Er lebte, und sie standen von ihren Plätzen auf und zollten ihm Beifall, wenn er sich irgendwo blicken ließ.
Er haßte den Gedanken daran, dass Eve der Welt erzählen wollte, dass er seinen besten und engsten Freund betrogen hatte, Charlie Gray. Jahrelang hatte er seinen Einfluß dazu benutzt, dass Charlie nur Nebenrollen bekam. Er hatte hinter seinem Rücken gegen ihn intrigiert und ihn mit jeder seiner Frauen betrogen. Wie sollte er irgend jemandem erklären, dass es damals ein Spiel für ihn gewesen war, ein belangloses, kindisches Spiel, hervorgerufen von jugendlichem Übermut und Neid? Charlie war besser gewesen, geschickter und sogar eindeutig hübscher als er. Er hatte Charlie nicht verwunden wollen, nicht wirklich. Nach seinem Selbstmord war er von schrecklichen Schuldgefühlen geplagt worden, bis er Eve alles erzählt hatte. Er hatte Trost erwartet, Verständnis, aber sie hatte ihm nichts davon gegeben, sondern einen Wutanfall bekommen. Dieses Bekenntnis hatte ihre Ehe zerstört. Und jetzt wollte Eve das, was von seinem Leben übrig geblieben war, auch noch zerstören.
Wenn sie nicht irgend jemand daran hinderte.
Drake war in Schweiß gebadet. Ruhelos lief er in seinem Haus umher, noch nicht genug betrunken, um schlafen zu können. Immer noch fehlten ihm fünfzigtausend Dollar, und die Zeit lief erbarmungslos ab.
Er musste sich beruhigen, das wusste er, aber die Begegnung mit Delrickio hatte ihm den Rest gegeben.
Delrickio hatte ganz höflich, ja, freundschaftlich mit ihm geplaudert, und die ganze Zeit hatte Joseph dabeigestanden und ihn völlig leidenschaftslos beobachtet. Es war, als hätte er ihn nie
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