Erinnerung Des Herzens
sanften Kuß und fühlte, wie ihre Lippen zitterten. »Mach den Mund zu, Brandon«, sagte er ruhig und legte Julias Kopf an seine Schulter, streichelte ihr Haar. »Du wirst dich daran gewöhnen müssen, dass ich deine Mutter küsse.«
Über Julias Schulter hinweg sah er, wie der Gesichtsausdruck des Jungen sich veränderte - von Vorsicht zu Mißtrauen, von Mißtrauen zu Enttäuschung. Mit einem Seufzer fragte sich Paul, ob es ihm gelingen würde, beide richtig zu behandeln, die Mutter und den Sohn.
»Willst du nicht lieber ins Haus gehen, Jules? Mach dir etwas Kaltes zu trinken und setz dich hin. Ich komme in einer Minute nach.«
»Ja.« Sie musste einen Augenblick allein sein. Wenn sie nicht durchdrehen wollte, musste sie ein paar Augenblicke haben, um wieder die Kontrolle über sich zu gewinnen. »Ich will sehen, ob ich ein wenig Limonade machen kann. Ihr seht beide so aus, als ob ihr einen kühlen Schluck gebrauchen könntet.«
Paul wartete, bis sie sich auf den Weg gemacht hatte, bevor er sich wieder zu dem Jungen umwandte. Brandon hatte seine Hände in die Taschen seiner Shorts gesteckt. Er starrte auf seine Füße.
»Gibt's ein Problem?«
Der Junge zuckte nur mit den Schultern.
Paul machte ihm die Geste nach, bevor er sich eine Zigarre herauszog und einen kurzen Kampf mit den feuchten Streichhölzern durchführte.
»Ich nehme nicht an, dass ich dir die Sache zwischen Mann und Frau erklären muss.« Pauls Stimme klang laut und etwas ironisch. »Und auch nicht, weshalb das Küssen so beliebt ist.«
Brandon starrte so fest auf seine Schuhe, dass er beinahe schielte.
»Nein, ich glaube nicht.« Paul zog den Rauch ein und stieß ihn wieder aus. »Ich wette, du weißt schon, was ich für deine Mutter empfinde.« Brandon sagte noch immer nichts, er war völlig verwirrt. »Ich liebe sie, ich liebe sie sehr.« Dieses Geständnis bewog Brandon endlich dazu, den Kopf zu heben und Augenkontakt zu suchen. Paul merkte, dass es kein besonders freundlicher Blick war, den er ihm zuwarf. »Du wirst sicher etwas Zeit brauchen, um dich daran zu gewöhnen. Das ist in Ordnung, weil meine Gefühle sich nicht ändern werden.«
»Mama geht nicht oft mit Männern aus und all das.«
»Nein. Ich bin sehr glücklich darüber.« Himmel, gab es irgend etwas Schwierigeres, als dem direkten, starren Blick eines Kindes standzuhalten? Paul atmete tief aus und wünschte sich, er würde nachher irgend etwas Stärkeres als nur Limonade bekommen. »Hör zu, du fragst dich wahrscheinlich, ob ich ihr Leben durcheinanderbringen und sie verletzen werde. Ich kann dir nicht versprechen, dass das nicht geschehen wird, aber ich kann dir versprechen, dass ich versuchen werde, es nicht zu tun.«
Für Brandon war es sehr schwer, an seine Mutter so zu denken, wie Paul sie beschrieben hatte. Schließlich war sie zuerst einmal seine Mutter. Es war ihm nie in den Sinn gekommen, dass irgend jemand sie verletzten konnte. Bei dem Gedanken daran rebellierte sein Magen. Um damit fertig werden, schoß sein Kinn hoch, und er hatte darin große Ähnlichkeit mit Julia. »Wenn du sie schlägst, dann werde ich ...«
»Nein.« Paul hockte sich sofort vor ihm hin, so dass ihre Augen sich auf gleicher Höhe befanden. »Das meine ich nicht. Niemals, das verspreche ich dir. Ich meinte, dass ich ihre Gefühle verletzen, sie unglücklich machen könnte.«
Der Gedanke daran erinnerte Brandon an etwas, das er schon fast wieder vergessen hatte. Jetzt wurde seine Kehle trocken, und Tränen stiegen ihm in die Augen. Er dachte daran, wie sie ausgesehen hatte, als seine Großeltern gestorben waren. Und auch lange vorher schon einmal, als er noch zu klein gewesen war, um es zu verstehen.
»Wie mein Vater es getan hat«, sagte er mit schwankender Stimme.
Auf dieses Thema wollte Paul sich nicht einlassen. »Darüber musst du mit ihr sprechen, wenn ihr beide bereit dafür seid.«
»Ich wette, er wollte uns nicht haben.«
Paul legte dem Jungen die Hand auf die Schulter. »Ich will es.«
Brandon schaute wieder fort, über Pauls Schulter hinweg. Ein leuchtend blauer Vogel sauste in den Garten. »Ich wette, du hast mit mir herumgespielt wegen Mama.«
»Das ist nur zum Teil wahr.« Paul ergriff seine Chance und drehte Brandons Gesicht so, dass er ihn wieder anschauen musste. »Ja, ich habe vielleicht geglaubt, dass ich mit Julia besser vorankommen würde, wenn wir beide uns gut verstehen. Wenn du mich nicht mochtest, hatte ich gar keine Chance. Aber Tatsache ist, dass ich gern
Weitere Kostenlose Bücher