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Erinnerung Des Herzens

Erinnerung Des Herzens

Titel: Erinnerung Des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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hätten diese Leute mich bestimmt nicht belästigt. Was meinen Sie? Aber bei Eve Benedict ist das eine andere Sache. Ich habe Betty und die Kornfelder hinter mir gelassen, als ich achtzehn war. Ich halte nichts davon zurückzuschauen.«
    Das war eine Lebenshaltung, die Julia sowohl verstand als auch respektierte. Sie fühlte wieder die innere Erregung in sich aufsteigen, die sie ergriff, wenn sie einer anderen Persönlichkeit nahekam und die ihre Arbeit so erfolgreich gemacht hatte.
    »Erzählen Sie mir von Ihrer Familie. Wie ist Betty aufgewachsen?«
    Sie warf den Kopf zurück und lachte. »Oh, meine ältere Schwester wird entsetzt sein, wenn sie schwarz auf weiß liest, dass unser Vater ein Schürzenjäger war. Aber der Wahrheit die Ehre. Er klapperte die Straßen ab mit seinen Pfannen und
    Töpfen und verdiente immer gerade so viel, dass wir keine Not leiden mussten. Meist kam er mit kleinen Überraschungen für seine Töchter nach Hause. Schokolade, Taschentücher oder bunte Bänder. Daddy hatte immer Geschenke für uns dabei. Er war ein großer, gutaussehender Mann mit schwarzem Haar, einem Schnurrbart und roten Wangen. Wir liebten ihn abgöttisch. Fünf von sieben Tagen in der Woche mussten wir ohne ihn auskommen.«
    Sie nahm eine Zigarette in die Hand und zündete sie an. »Am Samstag wuschen wir seine Wäsche. Sein Hemd stank nach Parfüm, und am Samstag verlor meine Mutter regelmäßig ihren Geruchssinn. Ich habe nie gehört, dass sie eine Frage stellte, ihn beschuldigte oder sich beklagte. Sie war nicht feige, sie war ... Sie war sanft und akzeptierte ihr Schicksal, so wie es war, einschließlich der Treulosigkeit ihres Mannes. Ich glaube, sie wusste, dass sie die einzige Frau war, die er liebte. Als sie ganz überraschend starb, ich war gerade sechzehn, war mein Vater verloren. Er trauerte um sie, bis er fünf Jahre später selber starb.« Sie legte eine Pause ein, dann beugte sie sich vor. »Was schreiben Sie da?«
    »Beobachtungen«, sagte Julia.
    »Und was haben Sie beobachtet?«
    »Dass Sie Ihren Vater geliebt haben und zugleich enttäuscht von ihm waren.«
    »Und wenn ich Ihnen sage, dass das Bockmist ist?«
    Julia klopfte mit dem Stift auf ihren Notizblock. Ja, es hatte sich ein Einvernehmen zwischen ihnen eingestellt, dachte sie, und ein ausgewogenes Verhältnis der Kräfte. »Dann verschwenden wir beide unsere Zeit.«
    Eve schwieg einen Augenblick lang, dann griff sie nach dem Telefonhörer. »Ich möchte frischen Kaffee.«
    Während Eve weitere Anordnungen erteilte, hatte Julia sich entschlossen, nicht auf weitere Diskussionen über die Familienverhältnisse zu bestehen. Wenn sie Eve besser verstand, würde sie auf das Thema zurückkommen.
    »Sie waren achtzehn, als sie nach Hollywood kamen«, sagte sie. »Allein. Frisch aus dem Dorf, wenn ich so sagen darf. Ich interessiere mich für Ihre Gefühle damals, für Ihre Eindrücke. Wie war es für das junge Mädchen aus Omaha, in Los Angeles aus dem Bus zu steigen?«
    »Aufregend.«
    »Sie hatten keine Angst?«
    »Ich war noch zu jung, um Angst zu haben. Zu anmaßend, um zu glauben, dass ich scheitern könnte.« Eve stand auf und fing an, im Zimmer auf und ab zu gehen. »Es war Krieg, und unsere Jungen wurden nach Europa eingeschifft, um zu kämpfen und zu sterben. Ich hatte einen Vetter, einen lustigen Burschen, der in die Navy eintrat und in den Südpazifik geschickt wurde. Im Juli packte ich meine Koffer. Mir war klar geworden, dass das Leben sehr kurz und sehr grausam sein kann. Ich wollte keine Sekunde mehr vergeuden.«
    Travers brachte den Kaffee. »Setzten Sie ihn hier ab.« Eve deutete auf ein kleines Tischchen, das vor Julia stand. »Sie wird einschenken.«
    Eve trank ihren Kaffee schwarz. Dann lehnte sie sich auf eine Ecke ihres Schreibtisches. Julia hielt ihre Eindrücke fest: Eves Kraft, die sich in ihrem Gesicht, ihrer Stimme und den Linien ihres Körpers widerspiegelt.
    »Ich war jung und naiv«, sagte Eve mit heiserer Stimme. »Aber nicht dumm. Ich wusste, dass ich einen Schritt getan hatte, der mein Leben von Grund auf veränderte. Und es war mir klar, dass Opfer und Entbehrungen auf mich zukommen würden - und Einsamkeit. Verstehen Sie das?«
    Julia erinnerte sich daran, wie sie mit achtzehn in einer Klinik im Bett gelegen hatte, mit einem kleinen hilflosen Baby im Arm.
    »Ja, das verstehe ich.«
    »Ich besaß genau fünfunddreißig Dollar, als ich aus dem Bus kletterte, aber ich hatte nicht die Absicht zu hungern. Ich hatte eine

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