Erinnerung Des Herzens
nicht nur meine, sondern auch seine Geheimnisse preisgeben.«
»Du kennst meine Geheimnisse gar nicht.«
Dieses Mal klang ihr Lachen ein wenig schärfer. »Mein lieber Junge, es gibt kein Geheimnis, keine Lüge, keinen Skandal, den ich nicht kenne. Früher einmal hat man sich vor Parsons und Hopper gefürchtet. Aber sie konnten beide kein Geheimnis bei sich behalten, bis die Zeit dafür reif war.« Sie trank wieder, zu Ehren irgendeines ganz persönlichen Triumphes, wie es schien. »Wie viele Anrufe hast du in den beiden letzten Wochen angenommen, Nina, Anrufe von besorgten berühmten Leuten?« Nina seufzte. »Dutzende.«
»Genau.« Zufrieden lehnte sich Eve zurück. Im Kerzenlicht glitzerten ihre Augen wie die Juwelen an ihren Ohren und am Hals. »Es ist ein ungeheuer befriedigendes Gefühl, diejenige zu sein, die Dreck auf die weißen Westen wirft. Und du, Drake, was denkst du als mein Presseagent über das Projekt?«
»Dass du dir eine Menge Feinde machen wirst, und eine Menge Geld verdienen wirst.«
»Ich habe schon fünfzig Jahre damit verbracht, genau das zu tun. Und wie steht's mit Ihnen, Ms. Summers, was versprechen Sie sich davon?«
Julia stellte ihr Glas beiseite. »Ein gutes Buch.« Sie fing Pauls spöttischen Blick auf und erstarrte. Am liebsten hätte sie ihm den Rest Wasser in ihrem Glas auf den Schoß gegossen. »Es ist mir natürlich klar, dass es Menschen gibt, die Biographien über berühmte Leute für etwas halten, was tief unter der eigentlichen Literatur rangiert.« Sie schaute ihn voll an. »Genauso wie viele Leute Unterhaltungsromane für Abfallprodukte der Literatur halten.«
Eve warf den Kopf zurück und lachte. Paul nahm seine Gabel und spielte mit den Resten seines Truthahns. Seine hellen blauen Augen waren dunkler geworden, aber seine Stimme klang ganz sanft, als er fragte: »Und wofür halten Sie Ihre Arbeit, Ms. Summers?«
»Für Unterhaltungsliteratur«, erwiderte sie ohne zu zögern. »Und wofür halten Sie Ihre?«
Er ignorierte ihre Frage. »Sie finden es also unterhaltsam, den Namen und das Leben einer bekannten Persönlichkeit zu benutzen und auszubeuten?«
Jetzt hatte sie nicht mehr das Bedürfnis, an ihren Nägeln zu kauen. Ihr war mehr danach zumute, die Ärmel hochzukrempeln. »Ich bezweifle, dass Sandburg so gedacht hat, als er die Biographie von Lincoln schrieb. Und ich glaube auf keinen Fall, dass man mit einer autorisierten Biographie denjenigen, dessen Leben man beschreibt, ausbeutet.«
»Sie wollen doch nicht etwa Ihre Arbeit mit der Sandburgs vergleichen?«
»Ihre ist mit Steinbecks verglichen worden.« Sie machte eine nachlässige Bewegung mit den Schultern, obwohl sie innerlich kochte. »Sie erzählen eine Geschichte, die auf Phantasie beruht - oder auf Lügen. Ich erzähle eine, die auf Tatsachen und Erinnerungen beruht. Das Endergebnis ist bei beiden Techniken, dass das Buch gelesen wird und dem Leser Vergnügen bereitet.«
»Ich habe die Bücher von Ihnen beiden mit Vergnügen gelesen«, sagte Nina, bemüht, Frieden zu stiften. »Ich habe schon immer Respekt vor Autoren gehabt. Ich kann nichts anderes verfassen als Geschäftsbriefe. Drake schreibt immerhin seine gekonnten Presseerklärungen.«
»Die eine Mischung von Wahrheit und Lügen darstellen«, sagte er. Mit einem Lächeln wandte er sich an Julia. »Ich nehme an, dass sie außer Eve auch noch andere Leute interviewen wollen, um ein abgerundetes Bild zu bekommen.«
»Das ist das übliche Verfahren.«
»Ich stehe Ihnen zur Verfügung. Jederzeit.«
»Daria scheint fertig zu sein. Wir können den Nachtisch bestellen« sagte Eve trocken und läutete. »Die Köchin hat Himbeertrifles gemacht. Nehmen Sie Brandon ein paar mit.«
»Oh ja, Ihr kleiner Junge.« Nina goss Wein nach. »Wir hatten gehofft, ihn heute Abend kennenzulernen.«
»Er war völlig erschöpft.« Julia warf einen Blick auf ihre Uhr, mit keinem anderen Erfolg, als dass ihr Körper nach wie vor behauptete, es wäre schon nach Mitternacht. »Ich glaube, er wird vor vier Uhr morgens aufwachen und sich wundern, dass die Sonne noch nicht aufgegangen ist.«
»Er ist zehn?« fragte Nina. »Sie sehen viel zu jung aus für einen zehnjährigen Jungen.«
Julia lächelte nur höflich. Als der Nachtisch serviert worden war, wandte sie sich an Eve. »Ich wollte Sie noch fragen, welchen Teil des Grundstücks wir frei benutzen dürfen?«
»Der Junge kann überall herumlaufen. Kann er schwimmen?«
»Ja, sehr gut.«
»Dann soll er ruhig den
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