Erinnerung Des Herzens
sich einschüchtern zu lassen. Sie stellte fest, dass man in den Damentoiletten berühmter Restaurants interessante Neuigkeiten erfahren konnte - wer welche Rolle bekommen hatte, wer mit wem schlief und welche Schauspielerin warum gefeuert worden war. Sie beobachtete, lauschte und merkte sich alles.
Als sie zum ersten Mal ihr Bild in der Zeitung sah, einen Schnappschuß, als sie mit Charlie das Romanoff verlassen hatte, verbrachte sie eine volle Stunde damit, ihr Haar, ihren Gesichtsausdruck und ihre Haltung einer strengen Prüfung zu unterziehen.
Sie bat Charlie um nichts und hielt ihn auf Distanz, obwohl beides im Lauf der Zeit immer schwieriger wurde. Wenn sie nur die geringste Andeutung machen würde, er möge ihr doch zu einer Probeaufnahme verhelfen, würde er es sofort tun, das wusste sie. Genauso sicher, wie sie wusste, dass er mit ihr schlafen wollte. Sie wünschte sich brennend die Probeaufnahme und sie wollte ihn als ihren Liebhaber, aber sie ließ sich Zeit.
Am Weihnachtsabend gab Charlie eine Party. Auf seinen Wunsch kam sie schon frühzeitig in seine große Villa, einen Ziegelbau in Beverly Hills. Der rote Satin hatte sie die Lebensmittelmarken für eine ganze Woche gekostet, aber das war das Kleid auch wert. Sie hatte den Schnitt ein wenig variiert und einen Seitenschlitz hinzugefügt, den sie durch eine Brosche mit einem funkelnden Stein als Blickfang noch betont hatte.
»Du siehst wundervoll aus.« Charlie strich mit der Hand über ihre nackten Arme, als sie im Foyer stand. »Hast du keine Stola?«
Ihre Geldmittel hatten nicht ausgereicht für eine Stola, die zu dem Kleid paßte. »Ich bin heißblütig«, sagte sie und überreichte ihm ein schmales Päckchen mit einer glänzend roten Schleife. »Fröhliche Weihnacht.«
Sie hatte ihm einen ziemlich zerlesenen Band mit Byrons Gedichten geschenkt. Zum ersten Mal fühlte sie sich in seiner Gegenwart unsicher. »Ich wollte dir etwas von mir geben«, erklärte sie. »Etwas, das mir etwas bedeutet.« Verlegen suchte sie in ihrer Handtasche nach einer Zigarette. »Ich weiß, es ist nicht viel, aber...«
»Es ist sehr viel«, sagte er. Sichtlich bewegt streichelte er ihre Wange. »Es ist das erste Mal, dass du mir einen Teil von dir gegeben hast.« Diesmal widersetzte sie sich nicht, als er sie küsste. Sie schloß die Augen, legte die Arme um ihn und unternahm versuchsweise kleine Vorstöße mit der Zunge. Bisher war sie nur von Jungen geküßt worden. Dies aber war ein Mann, erfahren und voll Begierde, einer, der wusste, was er tat. Sie spürte, wie er mit seinen Fingern über den Satin glitt.
Oh ja, auch sie begehrte ihn. Der richtige Zeitpunkt oder nicht, sie wollte nicht länger warten. Vorsichtig zog sie sich ein wenig zurück. »Weihnachten werde ich immer sentimental.« Lächelnd wischte sie ihm den Lippenstift ab. Er griff nach ihrem Handgelenk und küsste ihre Handfläche.
»Komm mit mir nach oben.«
Zu ihrer eigenen Überraschung klopfte ihr Herz bis zum Hals. Noch nie zuvor hatte er sie dazu aufgefordert. »So sentimental nun auch wieder nicht.« Sie versuchte, ihr inneres Gleichgewicht wiederzufinden. »Deine Gäste können jede Minute eintreffen.«
»Zum Teufel mit den Gästen.«
Sie lachte und legte ihre Hand auf seinen Arm. »Komm, Charlie, ich weiß, dass du mit mir schlafen willst. Aber jetzt wirst du mir erst mal ein Glas Champagner eingießen.«
»Und später?«
»Es gibt immer nur das Jetzt, Charlie, das Jetzt und Hier.«
Durch eine Doppeltür gingen sie in einen großen Raum, in dem ein zehn Fuß hoher Baum stand, der mit glitzernden Lichtern und farbigen Kugeln geschmückt war. Es war ein Raum mit einer typisch männlichen Ausstrahlung, sie liebte ihn deshalb auf den ersten Blick. Die Möbel waren einfach und geradlinig, die Sessel tief und bequem. In dem riesigen Kamin am einen Ende knisterte ein Feuer, am anderen Ende befand sich eine wohlgefüllte lange Bar aus Mahagoni. Eve setzte sich auf einen Barhocker und nahm sich eine Zigarette.
»Barkeeper«, sagte sie, »die Dame braucht einen Drink.« Als Charlie die Champagnerflasche öffnete und ihr einschenkte, beobachtete sie ihn. Er würde nie mit den großen männlichen Stars konkurrieren können. Charlie Gray war kein Gable oder Grant, aber er war verläßlich und feinfühlig und brachte die besten Voraussetzungen für seine Arbeit mit. »Ich hab dich gern, Charlie.« Eve hob ihr Glas. »Auf dich, meinen ersten wirklichen Freund in dieser Branche.«
»Auf das Hier
Weitere Kostenlose Bücher