Erinnerung Des Herzens
bereits dabei, Filmschauspielerin zu werden.«
Die Art, wie sie das sagte, und ihr Gesichtsausdruck dabei bewogen ihn, seinen ersten Eindruck zu revidieren. Fasziniert hob er die Zigarette an die Lippen, an der ein ganz zarter Duft von ihr haftengeblieben war. »Wie lange sind Sie schon in der Stadt?«
»Fünf Monate, zwei Wochen und drei Tage. Und Sie?«
»Viel zu lange schon.« Schlagfertige, gefährlich aussehende Frauen hatten ihn schon immer unwiderstehlich angezogen. Er sah sie genauer an. Sie trug ein Kostüm in einem sehr ruhigen Blau, das durch den Körper, den es so dezent verhüllte, unglaublich verführerisch wirkte. Sein Blut floß ein wenig rascher durch die Adern. Als sein Blick wieder den ihren traf und er ihren kühl amüsierten Gesichtsausdruck wahrnahm, wusste er, dass er sie begehrte. »Wie wär's mit einem Tanz?«
»Ich muss noch eine Stunde lang arbeiten.«
»Ich warte auf Sie.«
Als er fortging, befürchtete Eve, dass sie das Spiel überzogen hatte. Sie wiederholte sich jedes Wort, jede Geste und probierte Dutzende anderer aus. Dabei schenkte sie Kaffee ein und flirtete mit jungen, sauber geschrubbten GIs. Ihre Nerven flatterten. Als die Schicht beendet war, kam sie mit deutlich zur Schau getragener Lässigkeit hinter der Snackbar hervor.
»Da sind Sie ja.« Charlie war bereits an ihrer Seite, und Eve atmete unmerklich, aber sehr erleichtert auf.
Sie schlenderten zur Tanzfläche. Er legte seine Arme um sie und hielt sie fest, fast eine Stunde lang.
»Woher kommst du?« flüsterte er.
»Von nirgendwo. Ich bin vor fünf Monaten, zwei Wochen und drei Tagen zur Welt gekommen.«
Er lachte und rieb seine Wange an ihrem Haar. »Du bist sowieso schon zu jung für mich. Mach es nicht noch schlimmer.« Himmel, sie war so unwahrscheinlich sexy, sie war reiner, sprühender Sex. »Es ist zu warm hier.«
»Ich liebe die Hitze.« Sie warf den Kopf zurück und lächelte ihn an. Diesmal probierte sie einen neuen Blick aus, die Lippen nur ganz wenig geöffnet, die Augen schmal unter halbgeschlossenen Lidern. Als er ihre Finger fester umklammerte, merkte sie, dass der Trick angekommen war. »Wir können aber ein wenig spazierenfahren, wenn du dich abkühlen willst.«
Er fuhr schnell und etwas rücksichtslos, machte Späße, über die sie lachen musste. Ab und zu öffnete er eine kleine silberglänzende Flasche mit Bourbon und nippte daran. Sie lehnte ab. Stück für Stück ließ sie sich kleine Informationen entlocken, Sachen, die er wissen sollte über sie. Es war ihr noch nicht gelungen, einen Agenten zu finden, aber sie hatte selber bei einem Studio vorgesprochen und eine Statistenrolle in The Hard Way mit Ida Lupino und Dennis Morgan bekommen. Den größten Teil dessen, was sie verdiente, gab sie für Schauspielunterricht aus. Es war eine Investition. Sie wollte ein Profi werden und ein Star.
Sie fragte nach seiner Arbeit, nicht nach den glänzenden Stars, mit denen er zusammen auftrat. Er hatte gerade genug getrunken, um sich geschmeichelt und als ihr Beschützer zu fühlen. Als er sie schließlich zu ihrer Pension fuhr, war er bereits völlig vernarrt in sie.
»Schatz, du bist hier ein schutzloses Baby im Urwald. Es laufen viele Wölfe herum, die dich nur zu gern beißen möchten.«
Eve lehnte schläfrig den Kopf an die Rückenlehne. »Mich wird niemand beißen, wenn ich es nicht will.« Als er sich über sie beugte, um sie zu küssen, wartete sie, bis sein Mund den ihren berührte, dann drehte sie den Kopf zur Seite und öffnete die Wagentür. »Danke für die Spazierfahrt.« Sie fuhr sich mit der Hand durchs Haar und ging zur Tür des alten, grauen Hauses. Dann drehte sie sich um und lächelte ihm zum Abschied zu.
»Sicher begegnen wir uns irgendwo wieder, Charlie.«
Die Blumen kamen am nächsten Tag, ein Dutzend roter Rosen, die die anderen Bewohnerinnen der Pension in helle Aufregung versetzten. Eve stellte sie in eine geliehene Vase. Für sie waren es nicht einfach Blumen, sondern ihr erster Triumph.
Er nahm sie zu Partys mit. Eve tauschte Lebensmittelabschnitte gegen Stoffe ein und nähte sich Kleider. Auch das war eine Investition. Sie sorgte dafür, dass die Kleider immer ein wenig zu eng waren. Sie hatte keine Bedenken, ihren Körper einzusetzen, um das zu bekommen, was sie haben wollte. Schließlich gehörte er ihr allein.
Die großen Häuser, die Scharen von Bediensteten, die gepflegten Frauen in Pelzen und Seide schüchterten sie nicht ein. Sie konnte es sich nicht leisten,
Weitere Kostenlose Bücher