Erinnerung Des Herzens
sie eine Mutter spielte, die ihr Kind suchte.
Sie bemerkte auch, dass das Büro nicht so ordentlich aufgeräumt war wie das übrige Haus. Es war prächtig eingerichtet mit antiken Möbeln, seidenen Tapeten und einem dicken, weichen Teppich. Aber neben dem riesigen Schreibtisch aus Rosenholz, an dem Eve saß, lagen Berge von Manuskripten. Eine Kaffeemaschine, die schon halb leer war, stand auf einem Queen-Anne-Tischchen. Auf dem Boden lagen Ausgaben von Variety herum, und der Aschenbecher neben dem Telefon, in welches Eve gerade brüllte, war überfüllt.
»Sie können sich ihre Ehrenurkunde sonstwohin stecken.« Sie winkte Julia zu und nahm einen tiefen Zug aus ihrer brennenden Zigarette. »Es ist mir scheißegal, ob es eine gute Werbung wäre, Drake. Ich fliege auf keinen Fall nach Timbuktu, um an einem lächerlichen Dinner mit einem Haufen verdammter Republikaner teilzunehmen. Meinetwegen ist es die Hauptstadt des Landes, aber für mich ist und bleibt es Timbuktu. Ich habe diesen Dummkopf nicht gewählt, und ich will nicht mit ihm zu Abend essen.« Sie schnaubte und drückte die Zigarette halb aus. »Du kriegst das hin. Dafür wirst du schließlich bezahlt.« Sie hängte auf und bot Julia mit einer Handbewegung einen Stuhl an. »Politik. Das ist etwas für Idioten und schlechte Schauspieler.«
Julia stellte ihre Aktentasche neben den Stuhl. »Darf ich das zitieren?«
Eve lächelte nur. »Ich seh' schon, Sie wollen gleich mit der Arbeit anfangen. Ich dachte, unsere erste Sitzung sollte in einer geschäftsmäßigen Umgebung stattfinden.«
»Wo immer es Ihnen paßt.« Julia schaute auf den Berg von Drehbüchern. »Alle abgelehnt?«
»In der einen Hälfte soll ich irgendeine Großmutter spielen, in der anderen soll ich mich ausziehen.« Sie versetzte dem ganzen Stoß einen gezielten Fußtritt. Er stürzte um, eine Lawine von Träumen. »Ein guter Autor ist das Lösegeld für einen König wert.«
»Und ein guter Schauspieler?«
Eve lachte. »Der weiß, wie man aus Stroh Gold macht - so gut wie ein Zauberer.« Sie hob eine Braue, als Julia ihr Tonbandgerät hervorholte und auf das Kaffeetischchen stellte.
»Was veröffentlicht wird, entscheide ich.«
»Selbstverständlich.« Sie hatte nur sicherstellen wollen, dass alles, was sie verwerten konnte, auf dem Tonband festgehalten wurde. »Ich breche meine Versprechen nicht, Miss Benedict.«
»Das tut jeder irgendwann.« Sie machte eine wegwerfende Bewegung, die bühnenreif war. An ihrer langen, schlanken Hand funkelte ein großer Rubin.
»Bevor ich damit anfange, die meinen zu brechen, möchte ich gern mehr über Sie wissen - und nicht nur den Unsinn aus Ihrem offiziellen Lebenslauf. Ihre Eltern?«
Mehr ungeduldig als ärgerlich faltete Julia ihre Hände im Schoß. »Sie sind beide tot.«
»Geschwister?«
»Ich war das einzige Kind.«
»Sie haben nie geheiratet?«
»Nein.«
»Warum nicht?«
Julias Stimme bleib beherrscht und ruhig. »Ich habe mich nie dazu entschließen können.«
»Nach vier Ehen kann ich es auch niemandem empfehlen. Aber ich glaube, es ist schwierig, ein Kind allein aufzuziehen.«
»Es hat seine Vor- und Nachteile.«
»Zum Beispiel?«
Diese Frage irritierte sie so, dass es ihr schwerfiel, still sitzen zu bleiben. »Zum Beispiel, dass man sich nur auf sein eigenes Gefühl verlassen kann, wenn Entscheidungen zu treffen sind.«
»Ist das ein Vor- oder ein Nachteil?«
Julia lächelte leise. »Beides.« Sie holte ihren Block und einen Stift aus der Aktentasche. »Da Sie mir nur zwei Stunden am Tag einräumen können, würde ich jetzt gern anfangen. Natürlich kenne ich die Hintergrundinformationen, die veröffentlicht worden sind. Sie wurden in Omaha geboren, als zweites von drei Kindern. Ihr Vater war Kaufmann.«
In Ordnung, dachte Eve, irgendwann mussten sie ja anfangen. Was sie in Erfahrung bringen wollte, würde sie schon noch nach und nach herausfinden. »Ein Vertreter«, sagte sie, als Julia das Tonbandgerät einschaltete. »Ich habe immer in der Annahme gelebt, dass ich an verschiedensten Orten eine Reihe von Halbgeschwistern besitze. Tatsächlich bin ich auch schon oft Leuten begegnet, die behaupteten, mit mir verwandt zu sein und sich irgendwelche Vorteile davon versprochen haben.«
»Wie war Ihnen dabei zumute?«
»Es war das Problem meines Vaters, nicht meins.« Sie lehnte sich zurück und spielte mit ihren Fingern. »Ich bin erfolgreich gewesen. Aus eigener Kraft. Wenn ich immer noch Betty Berenski aus Omaha wäre,
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