Erinnerung Des Herzens
Julia ab und kehrte sogleich wieder zu dem Vertreter der Anklage zurück. »Sie sagte, sie müssten die Sache ausfechten.«
»Wie spät war es da?«
»Genau ein Uhr, vielleicht eine oder zwei Minuten später.«
»Wie können Sie das so sicher wissen?«
»Eve hatte mir eine Reihe von Briefen zum Abtippen gegeben. Als sie gegangen war, ging ich ins Büro, um damit anzufangen, und schaute auf die Schreibtischuhr.«
Julia hörte eine Zeitlang nicht mehr zu. Wenn sie schon nicht wirklich aufstehen und davongehen durfte, so konnte sie doch ihre Gedanken wandern lassen. Sie stellte sich vor, dass sie wieder daheim in Connecticut wäre. Sie würde Blumen pflanzen. Sie konnte eine ganze Woche damit zubringen, wenn sie es wollte. Sie würde für Brandon einen Hund besorgen. Über diese Dinge dachte sie nach. Es würde schwierig werden, im Tierheim einen Hund auszusuchen, denn sie hatte Angst, sie würde sie alle nehmen.
»Paul Winthrop wird in den Zeugenstand gerufen.«
Sie musste irgendeinen Laut von sich gegeben haben. Lincoln legte unter dem Tisch eine Hand auf ihre und drückte sie. Nicht tröstend, sondern warnend.
Paul beantwortete die ersten Fragen kurz, wägte seine Worte sorgfältig ab und schaute Julia dabei an.
»Würden Sie dem Gerichtshof die Art Ihrer Beziehung zu Miss Summers darlegen?«
»Ich liebe Miss Summers.« Ein ganz leises Lächeln umspielte seine Mundwinkel. »Ich liebe sie.«
»Und auch zu Miss Benedict hatten Sie eine enge persönliche Beziehung?«
»Ja, das stimmt.«
»War es nicht schwierig für Sie, Beziehungen zu zwei Frauen zu unterhalten, die eng zusammenarbeiteten und Mutter und Tochter waren?«
»Euer Ehren.« Lincoln sprang auf, ein Bild aufrichtiger Entrüstung.
»Oh, diese Frage beantworte ich gern.« Pauls ruhige Stimme übertönte die Unruhe im Zuhörerraum. Sein Blick wanderte von Julia zu dem District Attorney. »Ich fand es überhaupt nicht schwierig. Eve war die einzige Mutter, die ich je gekannt habe. Julia ist die einzige Frau, mit der ich mein weiteres Leben verbringen möchte.«
Williamson faltete die Hände über seinem Bauch und legte die Spitzen der Zeigefinger aneinander. »Dann hatten Sie also kein Problem. Ich frage mich, ob zwei dynamische Frauen es auch so einfach gefunden haben, sich einen Mann zu teilen.«
Seine blauen Augen flammten auf, aber seine Stimme blieb kühl und verächtlich. »Ihr Verdacht ist nicht nur idiotisch, er ist widerlich.«
Aber er hätte gar nichts zu sagen brauchen. Lincoln legte bereits Protest ein.
»Zurückgezogen«, sagte Williamson leichthin. »Mr. Winthrop, sind Sie bei dem Streit zwischen der Verstorbenen und Miss Summers anwesend gewesen?«
»Nein.«
»Aber Sie waren auf dem Grundstück.«
»Ich war im Gästehaus und habe auf Brandon aufgepasst.«
»Dann waren Sie also anwesend, als Miss Summers direkt nach der Szene auf der Terrasse zurückkehrte?«
»Ja.«
»Hat sie mit Ihnen über ihre Gefühle gesprochen?«
»Ja. Julia war empört, schockiert und verwirrt.«
»Empört?« wiederholte Williamson und ließ das Wort auf der Zunge zergehen, als wollte er seinen Geschmack prüfen. »Zwei Zeuginnen haben ausgesagt, dass Miss Summers die Terrasse wütend verließ. Wollen Sie behaupten, dass sich diese Wut in wenigen Augenblicken abgekühlt hat und nur noch Empörung übriggeblieben ist?«
»Ich bin Schriftsteller, Mr. Williamson. Ich wähle meine Worte sorgfältig. Wut ist nicht der Ausdruck, den ich verwenden würde, um Julias Zustand zu beschreiben, als sie ins Gästehaus zurückkehrte. Es würde der Sachlage sehr viel näher kommen, wenn ich sage, dass sie verletzt war.«
»Wir wollen die Zeit des Gerichtes nicht mit Semantik vergeuden. Haben Sie an dem Mordtag von Miss Summers einen Telefonanruf bekommen?«
»Ja.«
»Um welche Zeit?«
»Gegen zwanzig nach eins.«
»Erinnern Sie sich an das Gespräch?«
»Es kam gar kein Gespräch zustande. Sie konnte kaum sprechen. Sie bat mich, zu ihr zu kommen, sofort. Sie sagte, sie brauchte mich.«
»Sie brauchte Sie.« Mit einem kurzen Nicken wiederholte Williamson die letzten Worte. »Finden Sie es nicht merkwürdig, dass sie es für erforderlich hielt, ein Telefongespräch zu führen, während ihre Mutter tot dalag?«
Als das Gericht von eins bis drei eine Pause einlegte, zog Lincoln Julia in ein kleines Zimmer. Da stand ein Teller mit Sandwiches, ein Topf mit Kaffee, aber sie berührte weder das eine noch das andere. Sie brauchte auch nicht die Proben, die Lincoln
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