Erinnerung Des Herzens
sogar Eves Gedächtnis auf die Sprünge zu helfen. Und während ich das mache ...«, sein Blick glitt langsam über ihr Gesicht, »könnten wir einander besser kennenlernen.«
»Das ist ein sehr großzügiges Angebot.« Sie legte ihre Hand auf die Türklinke und kämpfte gegen die aufsteigende Nervosität an, als er wie zufällig seine Handfläche gegen die Tür stemmte, damit sie geschlossen blieb. »Wenn ich auf Schwierigkeiten stoße, komme ich vielleicht darauf zurück. Aber da es sich um Eves Story handelt, muss ich in erster Linie mit ihr klarkommen.« Ihre Stimme klang sanft und freundlich, als sie die Tür mit einem Ruck aufstieß. »Danke, Drake. Sie können mir glauben, dass ich mich melde, wenn ich irgendetwas von Ihnen brauchen sollte.«
Sie lächelte leise, als sie hinausging in den Empfangsraum. Julia war absolut überzeugt davon, dass bereits irgendetwas im Gange war. Und Drake Morrison steckte mittendrin.
11
Julia streifte ihre Schuhe ab und ging barfuß ins Büro.
Die Freesie, die ihr der Gärtner am gestrigen Nachmittag ritterlich überreicht hatte, verbreitete den Duft des Frühlings in dem vollgestopften Zimmer. Als sie mit dem bloßen Zeh an einen Stapel von Nachschlagebüchern stieß, der mitten auf dem Boden stand, fluchte sie. Sie musste hier unbedingt Ordnung schaffen, bald schon.
Wie es ihre Gewohnheit war, nahm sie die Tonbänder von heute aus der Aktentasche, um sie in die Kassettenbox in ihrer Schreibtischschublade einzuordnen. Sie freute sich schon auf ein kühles Glas Wein, vielleicht konnte sie auch noch kurz schwimmen gehen, bevor Brandon von der Schule kam. Entsetzt starrte sie in die Schublade und ließ sich auf dem Schreibtischsessel nieder.
Irgendjemand war hiergewesen.
Ganz langsam glitt sie mit den Fingerspitzen über die Bandkassetten. Es fehlte keine, aber sie befanden sich nicht mehr in der richtigen Reihenfolge. So unordentlich sie sonst auch sein mochte, in ihren Interviews hielt sie an einer geradezu zwanghaften Ordnung fest. Die Bänder wurden immer sofort beschriftet und datiert und in alphabetischer Reihenfolge eingereiht. Jetzt standen sie wahllos durcheinander da.
Sie riß schnell eine andere Schublade auf und zog das getippte Manuskript hervor. Rasch überzeugte sie sich davon, dass keines der Blätter fehlte. Aber sie spürte, wusste, dass irgendjemand sie gelesen hatte. Sie knallte die Schublade zu und öffnete eine andere. Alle ihre Sachen waren durchwühlt worden. Aber warum?
In einem Anflug von Panik raste sie die Treppe hinauf. Sie besaß nur sehr wenig wirklich wertvolle Dinge, aber die wenigen Schmuckstücke von ihrer Mutter bedeuteten ihr viel. Als sie die Tür zu ihrem Schlafzimmer aufstieß, verwünschte sie sich, weil sie Eve nicht gebeten hatte, die Tonbänder in ihrem Safe aufzubewahren. Bestimmt besaß sie einen. Aber auch das Gästehaus besaß eine Sicherungsanlage. Warum zum Teufel sollte jemand hier einbrechen, um eine Handvoll Erbstücke zu stehlen?
Das war natürlich auch nicht der Fall gewesen. Die einreihige Perlenkette mit den dazu passenden tropfenförmigen Ohrringen, die Brillantohrstecker und die Goldbrosche in der Form der Waage der Justitia, alles war da, unversehrt.
Ihre Knie zitterten. Sie setzte sich auf die Bettkante und drückte den alten Schmuckkasten an ihre Brust. Es war kindisch, sagte sie sich, so an diesen Dingen zu hängen. Sie trug nur selten eines dieser Stücke, nahm sie nur gelegentlich mal hervor, um sie anzuschauen.
Als ihr Vater ihrer Mutter die Brosche geschenkt hatte, war sie zwölf gewesen. Es handelte sich um ein Geburtstagsgeschenk, und sie erinnerte sich genau, wie begeistert ihre Mutter gewesen war. Sie hatte sie bei jeder Gelegenheit getragen, auch noch nach der Scheidung.
Julia stand auf und tat das Kästchen wieder an seinen Platz zurück. Es war doch möglich, dass sie selber die Bänder in Unordnung gebracht hatte. Möglich, aber unwahrscheinlich. Aber es war genauso unwahrscheinlich, dass irgendjemand mitten am Tag Eves Sicherheitsmaßnahmen durchbrach und in das Gästehaus eindrang.
Eve, dachte Julia plötzlich. Eve selber war es wahrscheinlich gewesen. Seit drei Tagen hatten sie keine Sitzung mehr gehabt. Neugier und Arroganz mochten sie dazu bewogen haben, sich selber davon zu überzeugen, wie die Arbeit voranging.
Sie lief wieder nach unten in der Absicht, die Bänder noch einmal durchzusehen, bevor sie Eve anrief. Bevor sie die letzten Stufen hinter sich hatte, klopfte Paul an die
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