Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Erinnerung Des Herzens

Erinnerung Des Herzens

Titel: Erinnerung Des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
Vom Netzwerk:
wirkte, dass sie dadurch von ihrer Arbeit abgelenkt wurde. »Eve verließ dann das Haus.«
    »Ja, der Rest ist Geschichte. Meine Mutter heiratete. Ich habe Klatschgeschichten gehört, die besagten, dass er eigentlich Eve geliebt hätte. Meine Mutter war nicht mehr sehr jung, als sie heiratete, und ich glaube, es gab jahrelang ziemlich viel Streit zwischen den beiden, bevor sie schwanger wurde. Darf ich Ihnen nicht doch etwas anbieten?« Er stand auf und ging zu der gutbestückten Bar an der einen Seite des Raumes.
    »Nein, danke. Aber fahren Sie bitte fort.«
    »Nun ja, auf jeden Fall war ich der einzige.« Er goß Mineralwasser auf klirrende Eiswürfel. Er hätte viel lieber einen ordentlichen Drink genommen, aber er war davon überzeugt, dass Julia das vor dem Mittagessen mißbilligt hätte. Als er trank, legte er den Kopf schräg, um ihr den Anblick seines Profils von der anderen Seite zu gönnen. »Lucille widmete ihr Leben großen Reisen. Ich glaube, ein paar Jahre hat sie sogar in einer Kommune gelebt. Typisch sechziger Jahre. Sie kam bei einem Eisenbahnunglück ums Leben, ich glaube, das war in Bangladesh oder Borneo oder an einem anderen weit entfernten Ort. Ich denke, das ist jetzt etwa zehn Jahre her.« Er hatte für das Leben und den Tod dieser Tante nicht mehr übrig als ein Achselzucken.
    Julia notierte sich etwas. »Ich nehme an, Sie hingen nicht sehr an ihr?«
    »An Tante Lucille?« Er war drauf und dran, darüber zu lachen, tat dann aber so, als habe er husten müssen. »Ich glaube nicht, dass ich sie mehr als drei- oder viermal in meinem Leben gesehen habe.« Er erwähnte nicht, dass sie ihm jedes Mal ein Spielzeug oder ein Buch mitgebracht hatte. Und dass sie, als sie gestorben war, kaum mehr besessen hatte als die Kleider an ihrem Leibe und etwas Kleingeld in der Tasche. Keine Erbschaft für Drake - kein Gedenken an Lucille. »Sie kam mir nie - nun, nie so recht wirklich vor, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
    Julia überlegte. Es war nicht fair, den Mann als kaltschnäuzig zu verurteilen, weil er nichts empfand für eine Tante, die er kaum gekannt hatte. Oder weil er sich wie ein Pfau spreizte und seine männliche Anziehungskraft bei weitem überschätzte.
    »Ich glaube, ich kann es mir vorstellen. Ihre Familie war auseinandergebrochen.«
    »Ja. Meine Mutter behielt den kleinen Bauernhof, den sie zusammen mit meinem Vater gekauft hatte, und Eve ...«
    »Wie war es für Sie, als Sie ihr zum ersten Mal begegnet sind?«
    »Sie war einfach riesig.« Er lehnte sich an eine Ecke des Schreibtisches, um Julias Beine besser bewundern zu können. Es würde alles andere als eine unangenehme Erfahrung sein, sie auszunutzen, dachte er. Um fair zu sein, beschloß er, dass sie es ebenso genießen sollte wie er. »Natürlich war sie schön, aber es kam noch etwas hinzu, was nur wenige Frauen besitzen. Eine angeborene Sinnlichkeit, glaube ich. Das konnte sogar ein Kind schon spüren, wenn auch natürlich nicht einordnen. Ich glaube, damals war sie mit Anthony Kincade verheiratet. Sie brachte Berge von Gepäck mit, hatte rote Lippen und rote Fingernägel, trug ein Kleid, das von Dior gewesen sein muss, und hielt die unvermeidliche Zigarette zwischen den Fingern. Sie war mit einem Wort fabelhaft.«
    Er nahm wieder einen Schluck und war selber erstaunt darüber, wie lebhaft er sich an diese Zeit erinnerte. »Ich denke an eine bestimmte Szene kurz vor ihrer Abreise. Sie diskutierte in der Küche des Bauernhauses mit meiner Mutter. Eve ging auf dem mit Linoleum belegten Boden auf und ab und stieß Rauchwolken aus, meine Mutter saß am Tisch, mit roten Augen und voller Wut.«
    »Um Christi willen, Ada, du hast dreißig Pfund zugenommen. Kein Wunder, dass Eddie mit irgendeiner schmierigen kleinen Kellnerin davongelaufen ist.«
    Ada presste die Lippen zusammen. Ihre Haut sah aus wie tagealter Porridge. »In meinem Hause wird der Name des Herrn nicht in den Mund genommen.«
    »Und auch sonst kaum etwas, wenn du dich nicht endlich zusammennimmst.«
    »Ich bin eine Frau ohne Ehemann, mittellos, und habe einen Jungen aufzuziehen.«
    Eve wedelte mit ihrer Zigarette, so dass der Rauch im Zickzack aufstieg. »Du weiß genau, dass Geld kein Problem ist. Und Frauen ohne Ehemänner gibt es überall in der Welt. Manchmal ist es durchaus zu ihrem Besten.« Sie legte die Hände flach auf den Holztisch, die Zigarette ragte zwischen den Fingern empor.
    »Hör mir zu, Ada. Mama ist tot, Vati ist tot. Lucille ist tot. Selbst der faule

Weitere Kostenlose Bücher