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Erinnerungen an die Wahrheit

Erinnerungen an die Wahrheit

Titel: Erinnerungen an die Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Fechner
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eindrucksvollen Königspalast liegt (heute befindet sich hier der Ort Penzance), ist korrekt und photographisch genau beschrieben. Die von Homer erwähnte heilige Quelle etwas oberhalb des Ortes gibt es noch heute. Jetzt ist sie ganz prosaisch Trinkwasser-Reservoir, aber noch im Mittelalter pilgerte man zu dieser Madron-Quelle (Mutter-Quelle) und hoffte auf wundersame Hilfe und Heilung.
    Im Bronzezeitalter lebten hier in dieser klimatisch bevorzugten Zone Großbritanniens – damals war es dort noch wärmer als heute – die Zinnfahrer, die das für die Herstellung der Bronze unentbehrliche Zinn teilweise bis in die Mittelmeerländer lieferten. Es war ein äußerst seetüchtiges und reiches Volk, von vornehmer Gesinnung und natürlich großwüchsig, wie fast alle damaligen Bewohner der Atlantik-Küste. Als die Phäaken feststellen, daß sie es mit dem Helden des Trojanischen Krieges zu tun haben, der auch bei ihnen bereits von den Sängern gerühmt wird, muß Odysseus natürlich ausführlich von seiner bisherigen Odyssee berichten. Er wird von den Phäaken reich beschenkt auf einem ihrer schnellen Schiffe nach Ithaka zurückgebracht – allerdings in betäubtem Zustand; denn es war damals üblich, derart weite Seerouten geheimzuhalten.
    In der „Odyssee“ und in anderen Sagen wird auch davon berichtet, daß seinerzeit das Schiff „Argo“ ebenfalls das Land der Phäaken erreichte. Es gab daher Autoren, die den Weg des Odysseus ins Schwarze Meer verlegten, da auch das Schiff „Argo“ bei der Fahrt der „Argonauten“ dorthin gelangte. Nach der „Argonautensage“ haben griechische Helden eine Generation vor Odysseus das mit Gold bestäubte Fell eines heiligen Widders, das „Goldene Vlies“, aus dem Kaukasus nach Griechenland zurückgebracht. Über den Rückweg der Argonauten ist viel gerätselt worden, da man wegen der Feinde, die den Weg über den Bosporus versperrten, offenbar einen langen Umweg machen und längere Zeit das Boot über Land tragen mußte. Denkbar wäre, daß die Argonauten über Flüsse zur Ostsee bzw. Nordsee gelangten (wie auch von den Wikingern aus späterer Zeit bekannt ist) und über Schottland zurückfuhren. Die Seefahrerkünste der Frühzeit werden heute zumeist völlig unterschätzt.
    Der Gesichtskreis der Griechen war im Bronzezeitalter weitaus größer als in späterer Zeit, als die Karthager die Durchfahrt bei Gibraltar sperrten. Die um 1200 v. Chr. stattfindende Irrfahrt des Odysseus schrumpfte schon Mitte des 1. Jahrtausend v. Chr. zu einer Rundfahrt um Sizilien. Korfu - gleich neben Ithaka gelegen - galt als das „ach so ferne Land“ der Phäaken, und die breite Straße von Messina als die gefährliche Meerenge zwischen Skylla und Charybdis - geradezu eine Beleidigung für einen Helden wie Odysseus. Kein Wunder, daß die „Odyssee“ später in das Reich der Märchen versank. Doch sie ist offenbar weitgehend ein Tatsachenbericht - freilich angereichert durch phantasievolle Zugaben aus dem Mythenschatz, so daß die „Odyssee“ auch als eine Fahrt in das Land der Götter, Geister und Dämonen angesehen wurde, wodurch sie ihren besonderen Reiz bekam. Und ist die Odyssee nicht auch Gleichnis für einen Menschen, der – vom geistigen Reich ausgehend – trotz langer Irrwege und großer Katastrophen doch noch glücklich zurückkehrt in das geistige Reich, in das Paradies?
    Leider weiß man über Homer, der in der Antike als der Dichter der „Ilias“ und der „Odyssee“ galt, so gut wie gar nichts. Man vermutet heute, daß Homer aus dem in Kleinasien gelegenen Ionien stammte und im 8. Jahrhundert v. Chr. lebte. Die „Ilias“ gilt als sein Frühwerk, die „Odyssee“ als sein Spätwerk. War Homer ein Seher, der mit den inneren Augen schaute, und der vielleicht auch deshalb in der Antike als Blinder dargestellt wurde? Oder sollen wir annehmen, daß Homer von Kleinasien aus auf den Spuren des Odysseus bis nach Schottland segelte, um seine Dichtung über ihn korrekt niederzuschreiben? Auch die Überlieferungen über die Fahrten des Odysseus, die es selbst nach 400 Jahren, als Homer sein Werk geschrieben hat, sicherlich gab, reichen als Grundlage für eine derartige, geographisch genaue Erzählung keinesfalls aus. War Homer vielleicht nur das Medium eines im Jenseits weilenden, genialen Dichters gewesen?

Bild am Kapitelanfang: „Odysseus in der Unterwelt“, römische Wandmalerei, 5. Jh. v. Chr., Foto einer Farblithografie (Rom, "Biblioteca vaticana")
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