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Erinnerungen an eine Ehe: Roman (German Edition)

Erinnerungen an eine Ehe: Roman (German Edition)

Titel: Erinnerungen an eine Ehe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louis Begley
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Devisen oder Waren oder baute Long-Positionen auf. Und er hatte bis über die Ohren in der Lösung von Problemen mit Staatsschulden gesteckt. Leute, die mit diesem oder jenem seiner Artikel oder Gastkommentare in der FT nicht einverstanden waren, konnten sagen und sagten auch, was die Firma getan habe, widerspreche dem, was er predige. Also hatte er hundert Prozent recht, sich auszahlen zu lassen. Wie er als Person war? In mancher Hinsicht wirkte er reserviert, vielleicht sogar kalt. Kein leeres Geplauder. Im Grunde ein phantasieloser Biedermann. Das wurde über ihn gesagt. Meine Erfahrung war eine andere. Wenn wir miteinander zu tun hatten, geschäftlich oder gesellschaftlich, war er immer sehr liebenswürdig. Nach meinem Eindruck fiel dabei ins Gewicht, jedenfalls anfangs, dass ich dein Vetter bin. Als Freund? Sehr zuverlässig. Er schrieb Empfehlungen für jedes College, bei dem sich die Kids bewarben, und was er schrieb, war gut, das kann ich dir sagen. Trotzdem glaube ich, er hatte wenige Freunde, abgesehen von den alten Gefährten aus der Business School oder aus noch früheren Zeiten. Der Ruf der Spießigkeit? Der war verdient. Er las Sachbücher – Biographien, Geschichte. Seit der Schullektüre von Eine Geschichte aus zwei Städten hatte er wahrscheinlich keinen Roman mehr gelesen. Ballett? Sah er sich nicht an, und Opern mochte er auch nicht besonders. Er hat mir von seiner Herkunft erzählt. Ich dachte immer, dass er tief im Innern der Junge aus der Kleinstadt geblieben war, der eszu etwas gebracht hatte. Natürlich – Josiah lachte – ist Newport eine ganz besondere Kleinstadt.
    Er verstummte und schob mir sein leeres Glas hin; ich füllte es, da Zeke die Flasche in meine Reichweite gestellt hatte, dann fragte er mich, scheinbar das Thema wechselnd: Bist du Mitglied im Paddock?
    Ich schüttelte den Kopf und sagte, nein, das hat nie jemand vorgeschlagen.
    Wie bist du durch die Maschen geschlüpft? Da muss jemand Mist gebaut haben. Ich bin drin, fuhr Josiah fort, und Alex van Buren auch. An den erinnerst du dich doch noch? Er kann wahrscheinlich als Thomas’ ältester Freund gelten. Wenn ich’s mir recht überlege, wird er Thomas für den Club vorgeschlagen haben. Wie auch immer, er ist fast jeden Mittag zum Lunch da. Wenn du ein Bild von Thomas rekonstruieren willst, ist Alex die richtige Adresse. Sein Gedächtnis ist erstaunlich. Ruf mich an, wenn du wieder in der Stadt bist. Ich nehme dich mit zum Lunch, und du kannst dein Glück bei Alex versuchen.
    Alex!, sagte ich. Heiliger Strohsack! Das artet ja in Paläontologie aus, aber ich mach es. Ich melde mich nächste Woche.
    Josiah war mein Lieblingsvetter. Als er Molly heiratete, war ich sein Trauzeuge. Die beiden waren eines der wenigen Ehepaare meiner Generation, die sich nie getrennt hatten, nicht geschieden wurden und, soweit man wissen konnte, immer noch verliebt ineinander, immer noch richtig glücklich miteinander waren. So glücklich, wie ich mit Bella gewesen war, hoffte ich. Ich begleitete sie zu ihrem Auto und sagte ihnen beim Abschied, wie dankbar ich für ihren Besuch sei.
    Nächstes Mal in Kent, sagte Molly. Dann kamen die Mädchen an die Reihe. Wir umarmten uns, und Natasha sagte, Onkel Philip, wir möchten, dass du weißt, wie sehr wir Tante Bella immer noch vermissen.
    Ich schlug die Hände vors Gesicht. Tränen liefen mir über die Wangen.

VI
    Als ich wieder in der Stadt angekommen war, fand ich auf meinem Anrufbeantworter eine Nachricht von Lucy. Sie klagte wortreich, dass Little Compton öde gewesen sei, nur ihren schrecklichen Vetter Harry Goddard und seine zweite Frau, der sie nicht gefiel, habe sie gesehen und sonst niemanden, die Cocktailparty sei ein Desaster gewesen, und die Entscheidung für den Straßenbau sei am Abend vor ihrer Ankunft gefallen, die ganze Reise sei reine Zeitverschwendung gewesen. Zum Schluss lud sie mich wieder zum Dinner in ihrer Wohnung ein, wann immer es mir passe in der kommenden Woche. Wir essen dann wieder kaltes Huhn wie letztes Mal, sagte sie, oder, wenn du nicht schon wieder kaltes Huhn essen willst – mir wird es nie zu viel –, besorge ich ein Steak, das kannst du dann braten.
    Ich wollte mich nicht noch einmal auf eine Gesprächstherapiesitzung einlassen, die sich so lange hinzog wie die letzte. Ich rief Lucy an und lud sie stattdessen in das Restaurant ein, in dem ich mich mit Jane zum Lunch getroffen hatte. Sie hatte mir erlaubt, ihren Namen zu nennen, wenn ich einen Tisch reservieren

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