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Erinnerungen an eine Ehe: Roman (German Edition)

Erinnerungen an eine Ehe: Roman (German Edition)

Titel: Erinnerungen an eine Ehe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louis Begley
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leihen. Wenn sie erst nach dem Examen heirateten, verkürzte das die Wartezeit, bis er einen Job und ein Gehalt hätte. Sie hatte angenommen, sie würden sich eine Heiratserlaubnis besorgen und im Rathaus, mit Dr. Reiner und einem von Thomas’ Kommilitonen als Zeugen, getraut werden, ohne großen Aufwand. Aber da zeigte sich Thomas als Emporkömmling in ganzer Pracht. Wir müssen es deinen Eltern mitteilen, sagte er, und als sie einwendete, sie rede nicht mehr mit ihnen, sagte er: Mach dir keine Sorgen, ich schreibe ihnen, und er schickte den Brief, bevor sie ihn davon abbringen konnte. Jetzt werden sie es dir heimzahlen, sagte sie voraus, aber wieder irrte sie sich. Nach ein paar Tagen rief ihr Vater an, klang, als hätte er den Mund voller Eiswürfel, und verkündete, ihre Mutter und er hätten nicht erwartet, dass sie in einer so wichtigen Frage eine so gute Entscheidung treffen würde. Thomas sei ein feiner junger Mann, und sie würden ihn mit Freude in die Familie aufnehmen. Offenbar wollten sie und Thomas im Juni heiraten; das sei ihnen recht, sie würden die Hochzeit mit Freude im Haus in Bristol ausrichten; er habe Thomas schon gesagt, dass es ein substanzielles Hochzeitsgeschenk in Form von Geld als Starthilfe für ihr neues Leben geben werde.
    Anfang Januar dann, während der vorlesungsfreien Woche an der Business School unmittelbar vor Thomas’ Prüfungen, bin ich weggelaufen, sagte sie. Ich habe ihm erzählt, ich müsse nach Paris, um den Verkauf des Apartments und des Mercedes in die Wege zu leiten. Davon hatte ich schon vorher geredet, und es war eine Teilwahrheit. Der andere Teil, der eigentliche Grund, war, dass ich Hubert sehen wollte. Ich hatte ihn am Tag vorher angerufen und gesagt, dass ich heiraten würde und mir noch eine letzte gute Erinnerung an unsere gemeinsame Zeit wünschte. Die Vorstellung, dass ich Thomas betrügen wollte, muss Hubert wirklich aufgereizt haben. Da war diese Pause, und dann sagte er: Nimm ein Zimmer im Savoy in London, Babydoll, ma petite cocotte, und warte dort nächsten Freitagnachmittag auf mich. Im Bett. Mach die Beine breit. Wie immer brachte er mich zum Schmelzen. Ich setzte mich hin und masturbierte. Auf Hotels und Sex nach seinem Geschmack verstand ich mich, ich wusste, dass ich jeden Schritt auf dem Weg würde bezahlen müssen, und es war mir egal. Ich reservierte eine kleine Suite im Londoner Savoy mit Blick auf den Fluss, was damals keine große Sache war, wenn man Dollars hatte. In Paris unterzeichnete ich Papiere wegen des Apartments und des Autos, kaufte mir zwei Nachthemden von Lanvin und ging zum Waxing in den Elizabeth-Arden-Salon an der Place Vendôme. Am Freitagnachmittag war ich in London und erwartete ihn im Hotel auf dem Bett, die Beine breit.
    Ich erspare dir die Beschreibung der perversen Spiele nach seiner Ankunft. Am nächsten Tag setzten wir unszu einem späten Lunch in den Savoy Grill. Austern und Merlan und eine Menge Wein. Er hatte mich innen wund gerieben, aber das gefiel mir, und ich war sehr glücklich, auf der Bank zu sitzen, mich an ihn zu lehnen, die Wärme seines Körpers zu spüren. Irgendwas, wahrscheinlich die Wahrnehmung, dass mich jemand anstarrte, ließ mich aufblicken. Sofort sah ich, wer das war: Will Reading – oder vielmehr Lord Reading, denn sein Vater war gerade gestorben –, Thomas’ Freund aus der Business School. Er und noch so ein geschniegelter Lackaffe saßen an einem Tisch uns genau gegenüber. Warum ich ihn nicht vorher bemerkt hatte, weiß ich bis heute nicht, und ich hätte ihn selbstverständlich erkannt. Wir waren uns auf Partys begegnet, ich hatte mit ihm getanzt, er hatte sogar versucht, mich zu befummeln. Er merkte, dass ich ihn endlich gesehen hatte, zwinkerte mir auf abscheuliche Weise zu, kam an unseren Tisch, küsste mir die Hand, wie es Briten seines Schlages tun, und wartete ab. Ich stellte die beiden einander vor, das war nicht zu vermeiden, und zu meinem Entsetzen hielt Hubert, dieser Idiot, nicht den Mund, sondern sagte: Oh, ich bin entzückt, einen Freund meiner Cousine Lucy kennenzulernen. Meiner Cousine Lucy! So stark war Huberts Akzent noch nie gewesen. Ich wusste, dass Will der Versuchung, Thomas anzurufen, nicht widerstehen würde; wahrscheinlich hielt er den Anruf sogar für seine Pflicht. Sein Grinsen hättest du sehen sollen. Der Gedanke, dass er womöglich bereits mit Thomas telefoniert hatte, ging mir während der Zeit, die noch von diesem Wochenende übrig war, nicht aus dem Kopf,

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