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Erinnerungen an eine Ehe: Roman (German Edition)

Erinnerungen an eine Ehe: Roman (German Edition)

Titel: Erinnerungen an eine Ehe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louis Begley
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entschuldigt hast, aber du hast uns die schöne georgianische Zuckerzange geschickt. Die van Burens kamen ausnahmslos alle und schenkten uns Servietten. Ich schwöre: kleine Teeservietten!
    Inzwischen war offensichtlich geworden, dass sie keinesfalls in der Lage sein würde, die Behandlung bei Dr. Reiner mit dem Beginn seiner Augustferien abzubrechen und noch im Herbst eine neue Therapie oder Analyse in New York anzufangen. Das war nicht Lucy eingefallen, obwohl die Aussicht auf einen Wechsel des Analytikers ihr Angst gemacht hatte. Dr. Reiner selbst habe ihr gesagt, erzählte sie, er könne nicht verantworten, ihre Therapie zu diesem Zeitpunkt zu beenden, nicht nach allem, was in der letzten Zeit passiert sei; er glaubte, sie müsse noch mindestens ein Jahr mit ihm arbeiten. Er bot an, sich mit Thomas zu treffen und ihm seine Ansichtdarzulegen. Denn Thomas dachte natürlich wie gewöhnlich nur an sich selbst und seine wunderbare Karriere und das Angebot von Kidder Peabody, im Herbst bei ihnen eine Stelle anzutreten. Morgan Stanley hatte ihm kein Angebot gemacht, seinem Kommilitonen Josiah Weld dagegen schon. Thomas war sprachlos; er verstand einfach nicht, wie es dazu kommen konnte. Seine Zeugnisse von der Business School und vom College waren so viel besser, zusätzlich hatte er einen Abschluss von der London School of Economics. Für Lucy war der Grund glasklar. Sie erzählte, sie habe es ihm erklärt. Für Morgan bist du nicht weiß genug und wirst es auch nie sein, hatte sie gesagt. Sie sehen mit einem Blick, dass du ein townie bist, der sich nach oben arbeiten will. Später erfand er natürlich die Geschichte, dass er Kidder vorgezogen habe, weil er dort unter Al Gordon arbeiten würde.
    Das war das. Thomas dachte gar nicht daran, Kidder zu sagen, er werde die Stelle nicht im Herbst antreten, und um einen Aufschub des Angebots zu bitten, aber er war bereit zu pendeln und an den Wochenenden nach Boston zu kommen. Darauf antwortete sie, wenn sie nicht zusammenleben würden, gebe es keine Hochzeit, wenn ihm an ihr liege, solle er sich gefälligst um einen Job in der State Street bemühen. Sie könnten sich eine größere Wohnung auf dem Beacon Hill nehmen, dann könne er zu Fuß zur Arbeit gehen. Er weigerte sich strikt.
    Ungefähr an dieser Stelle unterbrach ich sie und sagte: Wieder wurde dir auf einem silbernen Tablett die Gelegenheit angeboten, eine Hochzeit, die so ambivalente Gefühle in dir weckte, wenigstens aufzuschieben oder ganz abzusagen. Warum hast du diese Gelegenheit nicht genutzt?
    Sie schüttelte den Kopf und sagte, sie wisse es nicht. Sie sei in keiner guten Verfassung gewesen. Dr. Reiner war für die Hochzeit gewesen. Jetzt habe er ihr aber nahegelegt, wieder in die Klinik zu gehen. Was würde geschehen, wenn sie mit Thomas brach? Wenn sie ihn heiratete, ja, dann wäre es eine Erleichterung, ihn nur an den Wochenenden in Boston zu haben – jedenfalls an den Wochenenden, wenn er es einrichten konnte; sicher nicht jedes Wochenende; sie wusste, dass Kidder die jungen Leute hart arbeiten ließ. Aber sie traute Thomas nicht; er war sexbesessen; er würde sich bei irgendeiner Nutte eine Gonorrhö oder Schlimmeres einfangen und sie damit anstecken. Sie würde Angst haben, ihn in ihre Nähe zu lassen. Außerdem, wo würde er in der City wohnen? Er kannte niemanden, bei dem er unterkommen konnte. Am Ende würde sie die Miete für ihn bezahlen. Über Jobs in der State Street hatte er nur abfällig geredet. Boston sei rückständig, nicht besser als Providence; schon ein Jahr oder zwei bei einer Bank in der State Street wären Flecken auf seinem Lebenslauf und würden seine Aussichten auf einen Job an der Wall Street verderben. Dr. Reiner sagte, sie solle Thomas zum Pendeln ermutigen. Sie würde den emotionalen Freiraum gewinnen, den sie brauchte, und es sei vernünftiger, Geld für zwei Wohnungen auszugeben, als Thomas in einen Job zu drängen, den er nicht haben wollte. Ihre Ängste vor Huren und Infektionen seien nicht rational, sagte er auch. Ich weiß nicht, was ich hätte tun sollen, sagte Lucy. Ich war es leid, Geld auszugeben; ich war Thomas leid; ich war Dr. Reiner leid. Ich war alles und alle leid. Daraufhin überredete Thomas völlig überraschend die Business School, ihm eine Junior-Professur und einForschungsstipendium für eine Arbeit zur Bewertungstheorie zu geben, beides über einen Zeitraum von zwei Jahren. Eigentlich war es nicht überraschend. Er war der Primus seines Jahrgangs, und

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