Erinnerungen an eine Ehe: Roman (German Edition)
Traum daran denken, nachzufragen. Noch eine Person außer Lucy weiß es, dein alter Freund aus dem College, Alex van Buren. Das hat Thomas mal nebenher erwähnt. Merkwürdig, findest du nicht? Mir ist nur eine Erklärung dafür eingefallen: dass er unter großer Anspannung stand, als es passierte, so dass er es unbedingt loswerden musste, und er hing sehr an Alex. Die Sommerjobs in Alex’ Elternhaus in Newport und die Verbundenheit mitder ganzen Familie haben ihm viel bedeutet. Vielleicht ist Alex bereit, dir Auskunft zu geben. Wenn ja, möchte ich lieber nicht hören, was du herausfindest.
Am Sonntagabend fuhr ich in die Stadt zurück, rief Alex an und erfuhr, dass er und Priscilla wie ich gerade aus Long Island wiedergekommen waren, allerdings von der North Shore. Als ich fragte, ob er irgendwann Zeit für eine Verabredung mit mir habe, antwortete er: Warum nicht morgen? Im Paddock. Halb eins. Nein, du bist viel zu jung, sagte er und wehrte meinen Vorschlag ab, ihn zum Lunch einzuladen. Außerdem habe ich wegen deiner Aufnahme schon an den Zulassungsausschuss geschrieben, und Josiah hat den Vorschlag unterstützt. Es ist gut, wenn du den Jungs dein Gesicht zeigst. Wir haben dich noch vor Weihnachten im Club, du wirst sehen.
Wie ich befürchtet hatte, verschwendete Alex mindestens eine halbe Stunde, um mich mit einer Ansammlung von Clubmitgliedern, Stammgästen an der Bar, bekannt zu machen und sich über die Qualitäten auszulassen, die mich zu einer Zierde des Clubs machen würden. Als wir dann ausgetrunken hatten und uns endlich am entfernten Ende des langen Tisches niederließen – wie durch ein Wunder waren wir dort allein –, kam ich ohne Umschweife zum Punkt.
Die zufällige Begegnung mit Lucy an dem Ballettabend so kurz nach meiner Rückkehr in die Stadt, sagte ich, hat einen Kessel schlafender Erinnerungen an alte Zeiten aufgerührt, und das Bild der jungen Frau, die sie war, als ich sie in Paris kennenlernte, ist sehr lebendig geworden. Ich bin nicht sicher, ob ich dir erzählt habe,dass ich durch sie Thomas Snow kennengelernt habe, ebenfalls in Paris; sie kam mit ihm zu mir in die Wohnung, um ihn mir vorzustellen. Thomas und ich freundeten uns sofort an. Verändert haben wir alle uns, aber sie hat sich in einer Weise verändert, die mich bestürzt. Das kann ich mir nicht nur, nicht einmal in der Hauptsache damit erklären, dass sie gealtert ist. Die frühere Lucy – das lustige, originelle, draufgängerische Wesen, das ich in Paris gut kannte – ist einfach verschwunden. Oder ich sehe ab und zu einen flüchtigen Abglanz von ihr, so wie von einem verletzten Gespenst. Ihr ist diese Veränderung nicht entgangen, und sie meint, Thomas sei für einen großen, wenn nicht den größten Teil dieser Verheerung verantwortlich. Sie ist sehr verbittert und feindselig. Mir ist aufgefallen, dass ihre Klagen – sie habe immer nur gegeben und er nur genommen, nie etwas zurückgegeben – sehr oft mit ihrer Wahl des falschen Zeitpunkts zusammenhängen. Sie blieb nicht lange genug mit ihm zusammen, um die Ernte einzufahren. Du weißt, was ich damit meine: Erfolg, Geld, gesellschaftliche Stellung. Gerade als diese guten Dinge sich ankündigten oder schon eintrafen, ging er auf und davon. Sie hat klargestellt, dass er es war, der sie verlassen hat, tief gekränkt. Warum? Warum gerade dann? Wenn ich glauben soll, was sie erzählt, war die Ehe schon seit langem, praktisch von Anfang an zerrüttet.
Alex nickte, schwieg aber.
Ich bin froh, dass du das auch so siehst, sagte ich. Bella und ich haben es vermutet, hatten aber keinen Einblick in das, was zwischen ihnen vorging, und Thomas, mit dem ich bis zum Ende Kontakt hielt, sprach nie über sein Leben mit Lucy. Er gab sogar deutlich zu erkennen, dassihm Fragen danach unangenehm wären. Aber von Jamie erzählte er.
Alex nickte wieder und sagte: Also hat Lucy dir eine Gehirnwäsche verpasst. Oder dich jedenfalls vollgestopft mit Dingen, die für dich wie neue Informationen klingen.
Sie versucht es, sagte ich ihm, und das ist einer von vielen Gründen, warum ich dich um ein Treffen gebeten habe. Ich glaube, du kennst Jane Morgan, Thomas’ zweite Frau, und Ned Morris, den Mann, mit dem sie jetzt verheiratet ist. Es hat sich so ergeben, dass ich das letzte Wochenende bei ihnen in Water Mill war. Jane hat mit mir über Thomas gesprochen und über ihr Bedürfnis, das Andenken an ihn vor Verleumdung zu schützen. Sie hat noch einmal nachdrücklich betont, was sie mir schon
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