Erinnerungen an eine Ehe: Roman (German Edition)
vor ein paar Wochen gesagt hatte – dass Thomas Lucy nicht ihretwegen verlassen habe. Nebenbei bemerkt, war genau dies – dass Jane der Grund für Thomas’ Auszug gewesen sei – der Kern von Lucys reichlich greller Version der Ereignisse. Jane behauptet, zwischen ihr und Thomas sei absolut nichts gewesen, als Thomas Lucy verließ, sie hätten sich deutlich später zusammengetan. Ich habe keinen Zweifel, dass Jane die Wahrheit sagt. Aber die Tatsache, dass Lucy von sich aus mit einer so ausgefeilten Lüge verdeckt, was wirklich das Zünglein an der Waage war, und vor allem, dass sie an ihrer Lüge festhält, lässt mich vermuten, dass der wahre Grund für Thomas’ Weggang vielleicht das Sesam-öffne-dich ist, das ich brauche. Womöglich gibt es mir eine Chance, Lucy zu verstehen. Vielleicht auch Thomas. Natürlich habe ich Jane danach gefragt. Sie überraschte mich, denn sie sagte, sie wisse es nicht; sie tappe vollständig im Dunkeln. Thomas habe nicht darüber reden wollen. Sie sagte,an diesem Punkt wüssten nur Lucy und du, was tatsächlich vorgefallen ist. Willst du es mir erzählen? Jane würde es mit Sicherheit wollen. Lucy dürfe nicht die einzige Person sei, die Leerstellen in Thomas’ Geschichte fülle, wie sie sich ausdrückte. Oder die mir eine »Gehirnwäsche« verpasst, um deinen Ausdruck zu verwenden. Du kannst mit Recht fragen, warum mir daran liegt, die Lücken zu füllen. Die Antwort ist, dass das Ganze für mich zu einer Art Obsession wird.
Bestellen wir erst einmal unser Essen, erwiderte Alex. Ist dir das Tagesgericht recht? Hacksteak und Rahmspinat sind hier erstklassig. Du wirst noch merken, dass du dich darauf freust.
Jetzt war es an mir, zu nicken.
Ein Glas von dem roten Hauswein?
Ich nickte wieder.
Ich bin froh, dass das geregelt ist. Und diese Obsession, von der du sprichst: Ist es in Wirklichkeit die Obsession, ein bestimmtes Buch zu schreiben? Der arme alte Thomas kann weder ja noch nein dazu sagen, aber Miss De Bourgh wird dich skalpieren, wenn du sie in einen Roman steckst, und falls ich mit dir rede und noch am Leben bin, wenn dein Buch erscheint, wird sie mir das Gleiche antun wollen, das kann ich dir sagen.
Ich beruhigte Alex mit einer Variante der Antwort, die ich Lucy gegeben hatte, und sagte, sie habe sich damit so weit zufriedengegeben, dass sie weiter mit mir reden wollte und sogar darauf brannte. Außerdem wird dieses Buch vielleicht nie das Licht der Welt erblicken. Vielleicht kommt mir etwas anderes in den Sinn, vielleicht zeigt sich, dass es zu schwer ist, dieses Buch zu schreiben, oder ich werde durch ein anderes Projekt abgelenkt.
Eins ist klar, sagte Alex, wenn Lucy dir die wahre Geschichte nicht gleich erzählt hat, wird sie es nie tun. Ich weiß nicht, wie gut es für dich und dein Buch ist, wenn du hörst, was vorgegangen ist, aber eine gute Geschichte ist es. Ich will sie dir nicht vorenthalten, wenn du mir dein Wort gibst, dass du sie niemandem außerhalb deines Buches weitererzählst und niemandem flüsterst, dass du sie von mir hast. Das gilt besonders für Miss Lucy.
Ich streckte ihm meine Hand hin und schüttelte die seine feierlich.
Schon gut, sagte er, so wörtlich brauchtest du mich nicht zu nehmen. Wie gesagt, ich gehe das Risiko mit deinem Buch ein, aber ich will keinen Klatsch. Ich habe heute Nachmittag keine Termine. Wenn du Zeit hast, kommen wir mit dem Lunch zum Ende und lassen uns einen Kaffee ins Kartenzimmer bringen. Dort kann man gut ungestört reden.
Es ist eine Geschichte, deren Anfang lange zurückliegt, sagte Alex, als man uns den Kaffee gebracht hatte, und um sie richtig zu erzählen, muss ich weit ausholen und nicht gerade bei Adam und Eva beginnen, aber mit Lucy und mir. Das eine oder andere hast du wahrscheinlich schon von Miss Lucy gehört. Wenn sie so freizügig mit dir war, wie ich vermute, haben sich viele Gelegenheiten ergeben, mich mit Schmutz zu bewerfen, und ich wette, sie hat keine einzige ausgelassen.
Er hielt inne und sah mich fragend an. Ich nickte – einfältig, wie ich später erkannte – und sagte, sie habe ihn ein- oder zweimal erwähnt.
Dachte ich mir’s doch, sagte Alex lachend. Als Erstesmusst du im Sinn behalten, dass meine Eltern, meine Schwester, mein Bruder, die Neffen und Nichten und ich natürlich auch, dass wir alle Thomas ins Herz geschlossen hatten, seit er im vorletzten Jahr der Highschool war, und ihm die Daumen drückten, als er nach Harvard wollte und ihm das Stipendium angeboten wurde, mit
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