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Erinnerungen an eine Ehe: Roman (German Edition)

Erinnerungen an eine Ehe: Roman (German Edition)

Titel: Erinnerungen an eine Ehe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louis Begley
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Schreibtisch zu essen. Das war, bevor wir von den Deutschen aufgekauft wurden, und Vater erwartete von mir, dass ich uns trotz heftigem Gegenwind sicher auf Kurs hielt. Unter uns, so hart habe ich vorher und auch nachher nie gearbeitet. Meine Sekretärin war essen gegangen, nachdem sie mir meinen Lunch gebracht hatte, also nahm ich den Hörer selbst ab, als das Telefon klingelte. Der Anrufer war Thomas. Ich merkte, dass er sehr aufgeregt war, und als er fragte, wann er mich treffen könne, sagte ich, er solle jetzt gleich kommen. Er saß in meinem Büro und machte keinerlei Umschweife. Er fing sofort an: Ich will, dass du weißt, warum ich denke, ich muss Lucy verlassen, heute noch, und ja, Jamie verlassen, und ich möchte, dass du mir sagst, ob ich wahnsinnig bin. Ich sagte: Lass uns reden, aber zuerst gebe ich dir einen Drink. Ich hatte immer Whiskey in meinem Büro und schenkte ihm einen starken ein. Er trank ihn in einem Zug aus und gab mir einen Bericht, der so kohärent war, dass ich glaube, ich habe ihn Wort für Wort in Erinnerung behalten. Ich wiederhole ihn dir jetzt. Ich tueso, als würde Thomas sprechen, außer, wenn ich einen Kommentar einschiebe.
    Stell dir also vor, du hörst Thomas’ Stimme:
    Es gibt einen Mann, den ich aus der Business School kenne, er war dort mein bester Freund, Will Reading. Du bist ihm vielleicht mal begegnet; während seiner Zeit an der Business School erbte er einen Titel und heißt seitdem Lord Reading. Wir haben auch geschäftlich viel miteinander zu tun. Er leitet die Bank der Familie und ist zufällig gerade in New York. Wir wollten morgen Abend zusammen essen, mit Lucy, aber ungefähr um zehn Uhr heute Morgen rief er mich an und sagte, er müsse mich sofort sprechen, und schlug mir vor, zu ihm in seine Suite im Carlyle zu kommen.
    »Weißt du noch, wie ich dich aus London angerufen habe, kurz nachdem Lucy und du beschlossen hattet zu heiraten?«, sagte Will, kaum war ich im Zimmer. »Als ich dir erzählt habe, dass ich Lucy im Savoy Grill beim Lunch mit einem Kerl gesehen hatte, der behauptete, er sei ihr Vetter? Sie hatte mit ihm Händchen gehalten und war nicht gerade begeistert über mein Auftauchen. Ich rief dich an, weil ich das Gefühl hatte, das müsse ich tun. Du hast dich entschieden, das Ganze zu behandeln, als sei nichts geschehen, und im Lauf der Jahre bin ich zu dem Schluss gekommen, dass du damit vielleicht recht hattest. Für Lucy spricht einiges, und ihr habt Jamie.« Reading spielte auf eine Zeit unmittelbar nach unserer Verlobung an, als Lucy überraschend nach Paris fuhr und mir erklärte, sie müsse dort verschiedene Dinge regeln, die mit ihrem Apartment und ihrem Auto zu tun hatten. Was Reading mir damals erzählte, bestürzte mich so, dass ich die Verlobung lösen wollte. Aber Lucy schwor Stein undBein, dass es nichts auf sich habe, dass dieser Mensch, mit dem sie beim Lunch gesessen habe, ein Schweizer Journalist, jemand sei, den sie vor Jahren gekannt habe, und dass sie nach London gefahren sei, um ihm in aller Freundschaft persönlich zu eröffnen, dass sie heiraten werde. Es fiel mir sehr schwer, das zu glauben. Wir gingen ihre Geschichte immer wieder durch, ich weiß nicht wie oft, und am Ende beschloss ich, sie als wahr hinzunehmen. »Übrigens«, fuhr Reading fort, »habe ich diesen Kerl, den Grund für meinen Anruf von damals, inzwischen kennengelernt. Bei einem Dinner in Genf. Er heißt Hubert soundso, ist ein sehr bekannter Journalist und hat mich eindeutig sofort wiedererkannt. Mein Gesicht muss sich ihm genauso tief eingeprägt haben wie seins mir. Weißt du noch, dass sie dir erzählt hat, dieser Kerl habe damals, als sie sich zum Lunch trafen, in London gearbeitet? Das war dummes Zeug. Ich habe mich diskret nach seiner Karriere erkundigt, und von London aus hat er nie gearbeitet. Wahrscheinlicher ist es, dass er und Lucy verabredet hatten, sich dort zu treffen. Aber nicht deshalb habe ich dich gebeten, hierher zu kommen. Der Grund ist folgender. Als ich gestern gegen Abend, kurz nach sechs, denke ich, ins Hotel kam und mich mit dem Schlüssel abmühte, um die Tür zu dieser Suite aufzuschließen, hörte ich, dass hinter mir Französisch gesprochen wurde. Aus reiner Neugier drehte ich mich, und was glaubst du, sah ich? In der Tür gegenüber, auf der anderen Seite des Flurs, stand Hubert und küsste deine Lucy. Sie war barfuß, trug einen dieser Hotelbademäntel, und darunter war sie ohne Zweifel splitterfasernackt. Vielleicht machte ich

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