Erinnerungen an eine Ehe: Roman (German Edition)
darüber, wie ihn, Thomas, die Gedanken an die Zerrüttung und die Chronologie seiner schrecklichen Ehe nicht losließen. Ich äußerte Mitgefühl mit ihm, wohl wissend, welche Rolle ich in der traurigen Affäre gespielt hatte, das muss ich zugeben, da sagte Thomas auf einmal: Halt, Alex! Wenn du hörst, was ich dir jetzt sage, wirst du mich für verrückt halten. Hätte ich mein Leben noch einmal zu leben, könnte ich mich immer noch nicht davon abbringen, sie zu heiraten.
X
Mir lag nichts daran, sofort eine Antwort auf Alex’ Frage beim Abschied zu suchen. Nein, ich wusste nicht, ob ich Thomas und Lucy jetzt besser verstand, ich wusste nicht einmal, ob es mir wichtig war. Große Ungeduld hatte mich gepackt. Ich setzte mich an den Schreibtisch und begann, an meinem wirklichen Buch zu arbeiten, das sich dem Abschluss näherte; alle Gedanken an Lucy und Thomas schob ich beiseite. Als ich Alex nach Hause gebracht hatte und auf dem Heimweg nach Westen und dann Richtung Uptown war, sagte ich mir, das Buch über diese beiden sei ein Hirngespinst; und verglichen mit der Krise, die meine erfundenen Romanpersonen durchlebten, war die Mühsal von Thomas und Lucy zwar real, aber nicht überzeugend und vielleicht sogar lebensfern. Hatte Tolstoi je gesagt, dass alle unglücklichen Ehen einander gleichen? Wenn nicht, hätte er es sagen sollen; ich hatte das Gefühl, auf eine wichtige Wahrheit gestoßen zu sein. Wie auch immer, an jenem Nachmittag und bis in den Abend hinein arbeitete ich hart, ließ meine Gedanken nicht abschweifen und hatte um neun Uhr mein Tagessoll von zwölfhundert Worten überboten. Müde und ausgelaugt nahm ich ein Bad, legte eine CD mit Haydn-Sonaten auf, die mir ein deutscher Freund vor kurzem geschenkt hatte, und aß zu Abend: Rührei, Ziegenweichkäse aus Vermont, zwei Pfirsiche – die ersten reifen, die ich im Supermarkt hatte finden können –, dazu trank ich eine halbe Flasche Côte du Rhône. Entspannt durch Musik und Wein überließ ich mich mit schlechtem Gewissen meiner Fixierung auf Lucy und Thomas.
Alex hatte mir erzählt, er habe Thomas Ende Januar 1998, knapp zwei Wochen vor dem Unfall in Bahia, zum letzten Mal gesehen. Das war weniger als ein Jahr nach meinem letzten Treffen mit Thomas und Jane Mitte April 1997. Thomas behauptete damals, der Supreme Court habe einen verhängnisvollen Fehler begangen, als er die Entscheidung fällte, dass Paula Jones den Präsidenten Clinton wegen sexueller Belästigung verklagen könne, auch wenn er noch im Amt sei. Damit haben sie die Büchse der Pandora geöffnet, sagte er, und das Land auf den Weg zu einer vollkommen unnötigen Verfassungskrise gebracht.
Jane fand Thomas’ Standpunkt skrupellos und schockierend. Wenn an dieser Aussage, die die Frau unter Eid gemacht hat, irgendetwas Wahres ist, warum soll er sich ein Benehmen von dieser Sorte leisten können, nur weil er kurz zuvor zum Präsidenten gewählt wurde?
Dafür gibt es keinen Grund, antwortete Thomas, außer dass er dann auf alle möglichen Weisen belästigt wird. Vergiss nicht, dass dieser Kenneth Starr von sämtlichen rechtskonservativen Spinnern im Land angestachelt wird. Er wird Clintons schmutzige Wäsche in der Öffentlichkeit ausbreiten, all seine widerwärtigsten sexuellen Sünden, eine nach der anderen, und seiner Präsidentschaft schweren Schaden zufügen. Die amerikanische Öffentlichkeit hat nichts dagegen, wenn der Präsident seine Zeit auf dem Golfplatz vergeudet. Aber Sex! Dafür werden sie ihn kreuzigen, obwohl es ein Spaß ist, der weniger Zeit kostet und wahrscheinlich wohltuender ist als Golf.
Die Bedienung in dem Restaurant an der Avenue Montaigne, in das Thomas mich eingeladen hatte, weil Jane eine Kritik gelesen hatte, die den berühmten Chefkoch hochgelobt hatte, war katastrophal langsam. Es war ein Dienstag, der Tag, an dem französische Museen geschlossen sind. Thomas hatte für Jane und sich eine private Besichtigung der königlichen Wohnräume in Versailles organisiert. Die Zeit lief ihnen davon, und unser Essen endete etwas überstürzt mit dem Versprechen auf ein neues Treffen, bevor sie aus Paris abreisen würden, aber ohne einen konkreten Plan. Auf dem Heimweg über den Cours Albert 1er und die Quais zu meinem Apartment wünschte ich mir, ich hätte weniger gegessen, und schwor mir aufs Neue, jedem Gourmet-Lunch mit durchreisenden Amerikanern, auch lieben Freunden, aus dem Weg zu gehen. Wir kamen während ihres Paris-Aufenthaltes dann nicht mehr zusammen.
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