Erinnerungen der Kaiserin Katharina II.
gut und ging aufgeregt schlafen. Am folgenden Morgen, gleich nachdem ich aufgestanden war, ging ich zu meiner Mutter, die noch im Bett lag. Ich näherte mich ihr, um ihr die Hand zu küssen, doch zürnend zog sie dieselbe zurück und schalt mich schrecklich aus, daß ich gewagt, am Abend ohne ihre Erlaubnis spazieren zu gehen. Als ich erwiderte, sie sei nicht zu Hause gewesen, erklärte sie, es sei überhaupt eine unpassende Zeit, und tausend andere Dinge, scheinbar um mir die Lust zu nächtlichen Spaziergängen zu nehmen. Sicherlich war unser Spaziergang eine Unvorsichtigkeit gewesen, doch die unschuldigste Sache von der Welt. Was mich am meisten betrübte, war die Beschuldigung, wir seien in den Gemächern des Großfürsten gewesen. Ich erklärte dies für eine abscheuliche Verleumdung, worüber sie vor Zorn fast außer sich geriet. Es half mir nichts, daß ich auf die Knie fiel, ihren Unwillen zu beschwichtigen, denn das alles, sagte sie, sei nur Komödie, und jagte mich aus dem Zimmer.
Weinend kehrte ich in meine Gemächer zurück. Zur Essenszeit ging ich indes mit meiner Mutter, die immer noch sehr aufgebracht war, zum Großfürsten hinauf. Er fragte mich, was mir fehle, da meine Augen vom Weinen noch ganz rot wären. Ich erzählte ihm einfach, was geschehen, und diesmal ergriff er meine Partei und klagte meine Mutter der Laune und Heftigkeit an. Ich bat ihn jedoch, nicht mit ihr davon zu reden, und er folgte meinem Rat, so daß ihr Zorn allmählich vorüberging, aber sie behandelte mich fortwährend mit großer Kälte. Ende Juli kehrten wir von Peterhof in die Stadt zurück, wo alles sich auf die Hochzeitsfeier vorbereitete.
Endlich wurde der 21. August von der Kaiserin Elisabeth für diese Zeremonie festgesetzt. Je näher der Tag kam, desto tiefer wurde mein Trübsinn. Mein Herz sagte mir kein großes Glück voraus: nur der Ehrgeiz hielt mich aufrecht. Im Grunde meines Herzens fühlte ich ein geheimes Etwas, welches mich nie einen Augenblick zweifeln ließ, daß ich früher oder später souveräne Kaiserin von Rußland in eigener Machtvollkommenheit werden würde.
Die Hochzeit ging mit viel Glanz und Pomp vor sich. Abends fand ich in meinem Zimmer Madame Kruse, die Schwester der ersten Kammerfrau der Kaiserin, welche diese mir als erste Kammerfrau beigegeben hatte. Schon am nächsten Tage aber merkte ich, daß diese Frau alle meine Mädchen in Furcht hielt, denn als ich mich einer von ihnen näherte, um mit ihr zu reden, sagte sie ängstlich zu mir: »Um Gottes willen, kommen Sie mir nicht zu nahe, man hat uns verboten, halblaut mit Ihnen zu sprechen.« Anderseits bekümmerte sich mein lieber Gemahl durchaus nicht um mich, sondern war fortwährend mit dem Einexerzieren seiner Diener beschäftigt, die er in seinem Zimmer einübte, wobei er zwanzigmal in einem Tage die Uniform wechselte. Da ich mit niemand sprechen konnte, gähnte ich, langweilte mich, oder war bei öffentlichen Festlichkeiten zugegen. Am dritten Tag nach meiner Hochzeit, der ein Ruhetag sein sollte, ließ mir die Gräfin Rumianzoff sagen, daß die Kaiserin sie ihrer Stellung bei mir enthoben habe, und sie deshalb in ihr Haus zu ihrem Gemahl und ihren Kindern zurückkehre. Ich bedauerte diese Nachricht nicht allzusehr, denn unser Verhältnis war stets ein gespanntes gewesen.
Die Hochzeitsfeierlichkeiten dauerten zehn Tage. Dann bezogen wir, der Großfürst und ich, den Sommerpalast, wo die Kaiserin wohnte. Schon begann man von der Abreise meiner Mutter zu sprechen, die ich seit meiner Verheiratung seltener sah. Sie war übrigens seit dieser Zeit weit freundlicher gegen mich. Gegen Ende September reiste sie ab. Der Großfürst und ich begleiteten sie bis Krasnoie-Selo. Ihre Abreise betrübte mich aufrichtig, und ich weinte viel. Nachdem sie fort war, kehrten wir in die Stadt zurück. Bei meiner Ankunft im Schloß fragte ich nach Fräulein Jukoff, und man sagte mir, sie sei zu ihrer Mutter gegangen, welche krank geworden wäre. Am nächsten Tag dieselbe Frage meinerseits, die gleiche Antwort von meinen Frauen. Gegen Mittag zog die Kaiserin mit großem Pomp aus dem Sommerpalast in den Winterpalast, und wir folgten ihr in ihre Gemächer. In ihrem Paradeschlafzimmer angelangt, blieb sie stehen und begann nach einigen gleichgültigen Bemerkungen von der Abreise meiner Mutter zu sprechen, indem sie mich freundlich aufforderte, meinen Schmerz darüber zu bezwingen. Aber ich glaubte aus den Wolken zu fallen, als sie mir in Gegenwart von etwa dreißig
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