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Erinnerungen der Kaiserin Katharina II.

Erinnerungen der Kaiserin Katharina II.

Titel: Erinnerungen der Kaiserin Katharina II. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina II. von Rußland
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Streite enden, nämlich damit, daß jeder auf seiner Ansicht beharrte. Da indes Seine kaiserliche Hoheit während der Messe mit niemand außer mir sprechen konnte, hörte er allmählich auf, mit mir zu schmollen.
    Zwei Tage nachher hatte ich eine andere Aufregung. Am Morgen, während man die Frühmesse bei mir sang, trat Fräulein Schenk plötzlich ganz bestürzt in mein Zimmer und benachrichtigte mich, daß meine Mutter sich sehr schlecht befinde und in Ohnmacht gefallen sei. Sofort eilte ich zu ihr, die ich auf einer Matratze an der Erde liegend, aber nicht bewußtlos fand. Als ich mir die Freiheit nahm, sie zu fragen, was ihr fehle, erwiderte sie, sie habe einen Aderlaß vornehmen lassen wollen, aber der Wundarzt sei so ungeschickt gewesen, viermal vergeblich an beiden Händen und Füßen anzusetzen, und so sei sie ohnmächtig geworden. Ich wußte übrigens, daß sie den Aderlaß fürchtete, kannte indes ihren Zweck dabei ebenso wenig als ich wußte, daß sie überhaupt eines Aderlasses bedurfte. Dennoch warf sie mir vor, an ihrem Zustand wenig teilzunehmen und machte darauf ihrem Aerger durch viele unangenehme und bittere Aeußerungen Luft. Ich entschuldigte mich so gut ich konnte und gestand meine Unwissenheit ein. Da ich aber bemerkte, daß sie sehr verstimmt war, schwieg ich, versuchte meine Tränen zurückzuhalten und entfernte mich erst, als sie es mir mit bitteren Worten befahl. Weinend kehrte ich in mein Zimmer zurück, wo mich meine Kammerfrauen nach der Ursache meiner Tränen fragten. Ich sagte es ihnen ganz einfach. Meine Mutter besuchte ich mehrmals des Tages, blieb aber nur so lange dort, als ich glaubte, ihr nicht lästig zu fallen, denn das war ein Hauptpunkt bei ihr, an den ich mich vollkommen gewöhnt hatte. Und in meinem ganzen Leben habe ich nichts mehr vermieden, als jemand zur Last zu fallen, so daß ich mich immer sofort zurückzog, wenn in meinem Geiste der Argwohn entstand, ich könne unbequem werden und Langeweile erregen. Aber ich weiß auch aus Erfahrung, daß nicht alle demselben Grundsatz huldigen, denn meine eigene Geduld ist oft hart von Personen auf die Probe gestellt worden, die sich nicht zu entfernen wußten, bevor sie lästig fielen oder langweilig wurden.
    Während der Fastenzeit erlebte auch meine Mutter einen wahrhaften Schmerz. In einem Augenblick, wo sie es am wenigsten erwartete, erhielt sie die Nachricht, daß meine jüngste Schwester Elisabeth im Alter von ungefähr vier Jahren plötzlich gestorben sei. Darüber war sie sehr traurig, und auch ich beweinte sie.
    Einige Tage darauf sah ich eines schönen Morgens die Kaiserin in mein Zimmer treten. Sie ließ meine Mutter rufen und ging mit ihr in mein Ankleidezimmer, wo sie eine lange Unterredung miteinander hatten. Dann kehrten sie in mein Schlafzimmer zurück, meine Mutter mit geröteten, tränenerfüllten Augen. Aus der Fortsetzung des Gesprächs vernahm ich, daß es sich um den Tod Kaiser Karls XII. aus dem Hause Bayern handelte, den man der Kaiserin soeben mitgeteilt hatte. Elisabeth war damals noch ohne Allianz und schwankte zwischen der des Königs von Preußen und der des österreichischen Hauses – jede von beiden hatte ihre Parteigänger. Die Kaiserin hatte dieselben Beschwerden gegen Oesterreich wie gegen Frankreich geführt. Mit letzterem war der König von Preußen verbunden, und Marquis Botta, der Gesandte des Wiener Hofes, mußte wegen übler Nachrede über die Kaiserin Rußland verlassen, was man seinerzeit als eine Verschwörung darzustellen suchte. Aus ähnlichen Ursachen war auch der Marquis de La Chétardie fortgeschickt worden. Ich kenne den Zweck dieser Unterredung zwar nicht, aber meine Mutter schien große Hoffnungen daraus zu schöpfen, denn sie sah sehr befriedigt darauf zurück. Sie neigte sich damals durchaus nicht auf die Seite Oesterreichs. Was mich betrifft, so war ich bei all diesen Dingen ein sehr passiver, sehr diskreter und fast gleichgültiger Zuschauer.
    Nach Ostern, als der Frühling eingekehrt war, erklärte ich der Gräfin Rumianzoff mein Verlangen, reiten zu lernen, und sie verschaffte mir von der Kaiserin die Erlaubnis dazu. Beim Wechsel der Jahreszeit aber begann ich wieder Brustschmerzen zu fühlen; überhaupt war ich nach der Brustfellentzündung sehr matt geblieben. Die Aerzte rieten mir daher, jeden Morgen heiße Milch und Selterwasser zu trinken. Im Hause der Rumianzoff, in der Kaserne des Regiments Ismailofski, nahm ich meine erste Reitstunde. Ich hatte zwar schon öfters in

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