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Erinnerungen der Nacht

Erinnerungen der Nacht

Titel: Erinnerungen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: MAGGIE SHAYNE
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nicht daran, dass sich alle ähnlich bestialisch aufführen würden. So grässlich, wie ich als eine von ihnen bereits geworden war.
    „Die Schlösser dienen dazu, die anderen auszusperren, Liebes, und nicht Sie ein. Sie sind zu Ihrem Schutz da. Das hätte Ihnen jemand sagen müssen.“
    Ich verlieh meiner Erleichterung mit einem Stoßseufzer Ausdruck.
    „Wenn Sie sich jetzt bitte auf den Tisch legen würden“, sagte sie und lächelte mir aufmunternd zu. „Dann kann ich damit anfangen, wieder einen Menschen aus Ihnen zu machen.“
    Ich gehorchte eilfertig. Die Frau betrachtete meine schmutzige Tracht, schüttelte den Kopf und nahm eine Spritze aus der Tasche.
    „Wie lange muss ich hierbleiben?“, fragte ich.
    „Also, ehrlich gesagt könnten es Wochen sein. Der Vorgang besteht aus mehreren Schritten, wissen Sie. Aber Sie müssen sich keine Sorgen machen. Wir kümmern uns hier besser um Sie als Ihre eigene Mutter. Sie werden schon sehen.“ Sie stieß mir die Nadel in die Armbeuge, binnen Sekunden wurde meine Welt dunkel und verschwommen. Ich verlor das Bewusstsein.
    Als ich erwachte, trug ich weiße Krankenhauskleidung. Man hatte mich gebadet, mir das Haar gewaschen und gebürstet. Ich kam mir seltsam vergewaltigt vor. Und ich fragte mich, was die reizende alte Ärztin mit mir angestellt haben mochte, doch das konnte ich unmöglich feststellen.
    Schließlich wurde die Tür wieder geöffnet, ein kräftiger junger Mann kam herein, reichte mir ein Glas mit einer dunkelroten Flüssigkeit und ging ohne ein Wort wieder. Ohne ein einziges Wort. Als wäre ich ein lebloser Gegenstand oder ein Tier, das gefüttert werden musste. Ich trank die kalte, abgestandene Nahrung, die er brachte, doch es war nicht zu vergleichen mit der belebenden Wärme des Blutes Lebender. Ich dachte an den Hals, das Blut des schönen jungen Mannes, der mir angeboten hatte, mir zu helfen.
    Aber ich wollte diese Wärme ja gar nicht. Ich wollte keine Unschuldigen jagen. Ich wollte wieder eine Sterbliche sein, mein altes Leben führen. Und so trank ich und betete, dass ich nicht allzu lange an diesem ungastlichen Ort bleiben müsste.
    Hilary Garner hörte sich Rose Sverskys Bericht an und versuchte, einen klinischen, unbeteiligten Gesichtsausdruck zu wahren. Sie war nicht sicher, ob ihr das gelang, aber sie versuchte es.
    „Wir konnten dem Subjekt erfolgreich eine Eizelle entnehmen. Nur eine. Die Implantation muss fehlerfrei über die Bühne gehen, und wenn nicht, glaube ich nicht, dass wir einen zweiten Versuch haben. Möglicherweise brauchen wir noch ein oder zwei Subjekte, bis wir Erfolg haben.“
    Fuller nickte und ließ den Blick seiner zusammengekniffenen Augen so oft über Hilary schweifen, als suchte er nach etwas. Einem Fehler. Sie wahrte ihre maskenhafte Miene stoisch. Diesem Mann würde sie nichts zeigen. Schließlich blieb ihr gar nichts anderes übrig.
    „Setzen Sie die Implantation für heute Nacht an“, sagte er. „Bringen wir das Experiment endlich auf den Weg. Wie geht es dem Subjekt?“
    Rose lächelte ihr Großmutterlächeln. „Ironie erstaunt mich immer, Mr Fuller, aber in diesem Fall ist sie geradezu überwältigend. Das Subjekt ist Jungfrau.“
    Fuller hob erstaunt die Brauen. „Sie scherzen.“
    „Nein. Abgesehen von diesem seltsamen Umstand ist sie uneingeschränkt kooperativ. Sie glaubt immer noch, dass sie wieder eine Sterbliche wird. Die macht uns ganz bestimmt keinen Ärger.“
    „Werden Sie nicht zu sorglos, Sversky. Sie dürfte uns eine Menge Ärger machen, wenn sie die Schwangerschaft bemerkt. Und früher oder später dürfte sie das merken.“
    „Ja, jedenfalls wenn die Implantation erfolgreich verläuft.“
    Fuller nickte. „Am besten bereiten Sie eine der Hochsicherheitszellen für sie vor. Wenn sie es herausgefunden hat, dürfte sie bei jedem weiteren Schritt Widerstand leisten.“ Er schüttelte den Kopf. „Eine jungfräuliche Geburt, verdammt. War sie vor ihrer Verwandlung nicht Nonne oder so?“
    „Etwas in der Art“, sagte Sversky kichernd.
    „Hören die Wunder denn niemals auf?“, fragte Fuller. Er lehnte sich im Sessel zurück und stopfte seine Pfeife.
    Ich hatte das Gefühl, langsam durchzudrehen. Vollkommen verrückt wäre der treffendere Ausdruck dafür. Ich hatte keine Bücher. Kein Fernsehen. Kein Radio. Ich durfte jeden Abend duschen und bekam mein Essen von zurückhaltenden, sogar respektvollen Individuen in weißer Kleidung. Aus Gläsern, nicht von warmen Körpern ernährte ich mich.

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