Erinnerungen der Nacht
psychische Schmerz war immer noch so stark. Er umfasste meine ganze Seele wie ein Schraubstock, falls ich denn tatsächlich noch eine hatte.
„Nein. Das kann ich nicht wissen. Es muss dich fast umgebracht haben.“
„Mir wäre es lieber gewesen, sie hätten mir das Herz rausgeschnitten.“ Ich wandte das Gesicht ab, damit er meine Tränen nicht sehen konnte.
„Mir kannst du alles sagen, Angelica. Nichts muss zwischen uns stehen.“
Ich sah ihn an und wusste, dass es stimmte. Irgendwie waren wir miteinander verbunden. Durch das Blut und unser gemeinsames Kind. Und sosehr wir einander verachteten, dieses Band ließ sich nicht so leicht durchtrennen. Vielleicht gar nicht.
„Ich stand unter Drogen. War geschwächt. Ich hätte ihr helfen müssen … aber ich konnte nicht. Ich konnte mich nicht bewegen. Wie in einem Albtraum. Ich versuchte ununterbrochen, endlich aufzuwachen, schaffte es aber nicht. Es war schrecklich.“
Ich senkte den Kopf und spürte, wie er die Hand zärtlich auf meine legte. Seine Berührung spendete Wärme und Trost. Das überraschte mich. „Wir finden sie“, sagte er mit fester und überzeugter Stimme. „Amber Lily wird nichts geschehen.“
Einen Moment fühlte ich mich getröstet. Von einem Mann getröstet, von dem ich wusste, dass er ein Monster war. Ein Dämon. Ein Gräuel für Gott.
Doch dann zeigte sich seine wahre Natur wieder. „Und wenn wir sie haben und sie in Sicherheit ist, dann werden sie es büßen. Ich töte sie. Einen nach dem anderen … alle. Für das, was sie getan haben, verdienen sie etwas Schlimmeres als den Tod.“
„Nur Gott kann entscheiden, wer den Tod verdient, Jameson.“
„Gott ist zu langsam.“ Die Wut in seinen Augen machte mir Angst. Ich sah sie in den schwarzen Tigerstreifen, die das samtene Braun unterbrachen, eine pechschwarze Flamme, in der unversöhnlicher Hass loderte. „Mein ist die Rache, spricht der Vampir.“ Er brachte den Wagen zum Stillstand und sah zu den zahlreichen erleuchteten Fenstern des Apartmenthauses hinauf. „Und sie beginnt mit dieser Frau, wenn sie mir nicht sagt, was ich wissen will.“
Hilary Garners Apartment war verwüstet worden. Gründlich und ohne Rücksicht. Jameson kannte die Taktik des DPI und wusste, sie führten ihre Durchsuchungen so gründlich und sorgfältig durch, dass das Opfer nicht einmal etwas davon merkte. Diesmal war es anders. Sie mussten sehr, sehr wütend auf diese Frau sein.
Waren es jedenfalls gewesen. Sie war nicht hier, und Jameson fragte sich, ob sie überhaupt noch lebte. Das DPI kannte keine Gnade für Mitarbeiter, die aussteigen wollten. Oder die Organisation verrieten.
Er hörte Angelica stöhnen, fuhr herum und sah, wie sie ein Foto in einem silbernen Rahmen betrachtete. Hilary Garner und eine Freundin, die Arm in Arm in die Kamera lächelten. „Was ist?“
„Diese Frau“, sagte sie und zeigte hin. „Sie war bei der Geburt dabei. Sie … ich sah in ihren Augen, dass sie litt … Sie beugte sich über mich und verriet mir, dass das Baby ein Mädchen ist.“
„Hat diese Dreckskerle aber nicht daran gehindert, sie wegzubringen.“
„Ich habe sie angefleht, Amber Lily zu helfen. Und sie nickte. Nickte fast unmerklich.“
„Sie versuchte, ihre Schuld fortzuwaschen.“ Jameson fegte das Foto mit einer Armbewegung zu Boden.
Angelica sah ihn mit großen Augen an. „Sie hat dich benachrichtigt. Sie versuchte zu helfen.“
„Sie hat für die gearbeitet, Angelica. Jahrelang arbeitete sie für den Teufel persönlich. Eine gute Tat macht das nicht ungeschehen.“
„Selbst die schlimmsten Sünder können bereuen“, flüsterte sie.
„Zum Teufel mit Reue. Sie soll bezahlen. Alle sollen bezahlen. Verdammt!“ Er schlug mit der Faust auf den Tisch, wo das Foto gestanden hatte, und das Holz zersplitterte. Tränen brannten in seinen Augen. Ebenso wie die Enttäuschung in seinen Eingeweiden. Verdammt, er war so sicher gewesen, dass sie hier etwas finden würden. Einen Hinweis. Angelica konnte vielleicht nachsichtig sein. Sie hatte vermutlich keine Ahnung, was die Dreckskerle in diesem Moment alles mit dem Baby anstellen konnten. Er dagegen wurde diese albtraumhaften Bilder nicht los.
Und dann stand sie ganz nahe bei ihm, legte den Kopf schief und sah ihm in die Augen. „Du … du weinst?“
Er wandte sich abrupt ab. Niemand, auch sie nicht, sollte sehen, wie sehr er litt.
„Das wusste ich nicht“, flüsterte sie hinter ihm. „Ich hatte keine Ahnung, dass du dich … so sehr um
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