Erinnerungen der Nacht
Fahrzeug hielt am Straßenrand. Scheinwerfer erhellten die Dunkelheit und durchdrangen deren Reinheit mit ihrem künstlichen Licht. Licht, das nicht in diese Nacht gehörte, dachte ich. Ein Eindringling.
Mit einem letzten Blick auf Mutter und Kind schlich ich mich davon, in die Schatten, wohin ich gehörte.
Keith
11. KAPITEL
Jameson lag bis zum Hals im eiskalten Wasser des rauschenden Bachs und kühlte seinen schmerzenden Körper. Die Kälte schien seine schrecklichen Empfindungen zu lindern. Schien zu verhindern, dass seine Haut weiter schwelte und Blasen warf. Es verlangsamte den Brand. Linderte sogar die Schmerzen ein klein wenig.
Verdammt, er musste so sehr leiden.
Obwohl er sich wünschte, die Kälte würde ihn vollends betäuben, wusste er doch genau, dass nur der Tagesschlaf ihn heilen konnte. Ihm blieb nichts anderes übrig, als einen Unterschlupf für die Nacht zu suchen. Wenigstens musste er nicht lange leiden.
Und sobald die Sonne heute Abend unterging, würde er die Suche nach Angelica aufnehmen. Sie war inzwischen bestimmt längst über alle Berge. Er hoffte nur, dass sie das Baby nicht fand und verschleppte, ehe er sie einholen konnte. Er wollte Amber Lily sehen. Er wollte sie nur einmal in den Armen halten, sie an sich drücken, ehe er sich endlich mit dem DPI beschäftigte. Er musste sie fühlen und wissen, dass alles kein Traum war.
Er konnte Angelica nicht zum Vorwurf machen, dass sie keinen geeigneten Vater in ihm sah. Ein reueloser Vampir musste für sie ein reichlich seltsames Wesen sein. Einer, der liebte, was aus ihm geworden war. Der es genoss und nicht mehr sterblich werden wollte, selbst wenn er nur eine Pille dafür schlucken müsste. Während sie sich von ganzem Herzen nach nichts anderem sehnte. Und nicht zu vergessen sein gewalttätiges Naturell. Sein Hass auf das DPI und die Entschlossenheit, es zu vernichten. Sie glaubte doch nicht wirklich, dass er seiner Tochter diese finstere Seite seines Charakters zeigen würde? Er wollte sie doch nur lieb haben. Nur ganz kurz, bevor er tat, was er tun musste.
Aber vielleicht hatte das Schicksal bereits zugeschlagen, und er bekam nie mehr die Gelegenheit, seine Tochter zu liebkosen. Bis er sich genügend von den Brandwunden erholt hatte, war Angelica bestimmt schon auf und davon. Aber er würde sie wiederfinden. Niemand, keine Macht der Erde konnte ihn daran hindern, sie zu finden.
Als er ein leises Plätschern hörte, hob er hastig den Kopf. Und dann kniff er die Augen zu und öffnete sie wieder, um sich zu vergewissern, dass es keine Illusion war. Angelica kam durch das Wasser gewatet, ohne Rücksicht auf ihr schwarzes Kleid, das bis zu den Hüften nass war. An seiner Seite blieb sie stehen. In diesem Moment war er zu keiner Gemeinheit fähig.
Er sah in ihren Augen das ganze Maß ihrer Niedergeschlagenheit. Ihr Gesicht drückte unverhohlene Seelenqual aus. Sie krümmte den Rücken, die Schultern, erschauerte und kniff fest die Augen zu. Aber sie brach nicht in Tränen aus. Sie kämpfte dagegen an. Wehrte sich tapfer. Und gewann.
Und, verdammt, er kannte diese bittere Verzweiflung. Er verspürte sie auch. Als er das Baby schreien hörte, da hatte er zuerst gedacht …
Es wäre so schön gewesen, wenn die Suche ein Ende gehabt hätte. Und als er das Baby in den Armen hielt, obwohl er schon wusste, dass es nicht seins war … da fühlte er sich wie im Himmel und gleichzeitig wie in der Hölle.
Angelica holte vorsichtig Luft, richtete sich auf und stellte sich langsam wieder gerade hin. Eine Wassergöttin, die aus den Fluten emporstieg und sie bändigte. Ein feuriger Phönix, der aus der Asche erstieg. Trotz der Schmerzen richtete sie sich auf. „Kannst du aufstehen?“, fragte sie. „Gehen?“
Ihre Stimme klang spröde. Als würde eine steife Brise sie zerbrechen. Sie hasste ihn. Und nach dem kleinen Fiasko im Keller konnte er es ihr nicht verdenken. Aber, Herrgott noch mal, er war halb von Sinnen vor Verlangen nach ihr gewesen. Vor Sehnsucht. Von Fantasien geplagt. Wohl wissend, dass sie dasselbe empfand … und auch sich zugleich abgestoßen fühlte, weil sie ihn auf diese Weise wollte. Er widerte sie an. Sein Stolz hatte einen erheblichen Schaden erlitten.
Und er war so unglaublich scharf auf sie gewesen. An wem hätte er seine Unzufriedenheit über die ganze Situation auslassen sollen, wenn nicht an ihr? An ihr, die sich allein schon vor seiner Berührung ekelte. An wem?
Sie strich ihm mit den Händen über die Schultern und
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