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Erinnerungen der Nacht

Erinnerungen der Nacht

Titel: Erinnerungen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: MAGGIE SHAYNE
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zog ihn auf die Füße. „Ich hab gefragt, ob du gehen kannst, Vampir. Antworte.“
    „Ich kann gehen.“ Jameson stand auf, um es zu beweisen.
    „Dann solltest du es auch. Und zwar schnell. Es dämmert bald.“
    Er kniff die Augen zusammen und neigte den Kopf zur Seite. „Wolltest du nicht auf eigene Faust losziehen, Angel? Ich dachte, du wärst inzwischen schon fast in Timbuktu.“
    „Das bin ich nicht.“ Sie ging dicht neben ihm, die Hand in der Nähe seines Ellbogens, damit sie ihn auffangen konnte, sollte er fallen. Sie ging langsam und schleppte das Kleid durch das Wasser. Er fragte sich, warum sie ihn nicht im Stich gelassen hatte. Warum sie ihm half. Warum es ihn so verdammt wütend machte, dass er ihre wahren Gefühle kannte.
    Zu seinem Entsetzen stolperte er in dem Moment, als er aus dem Wasser stieg. Ohne die eiskalte Berührung des Bachs spürte er die Schmerzen wieder ungemildert und mit der Wucht eines Hammerschlags.
    Aber sein Engel, seine Angel, kam ihm zu Hilfe und machte dem Spitznamen, den er ihr gegeben hatte, alle Ehre. Sie legte einen seiner Arme über ihre Schulter und schlang ihren um seine Taille. Hielt ihn so dicht an sich gedrückt, als würde ihr wahrhaftig etwas an ihm liegen. Sie verzog jedes Mal, wenn seine Schmerzen aufloderten, das Gesicht, und er wusste, sie spürte sie auch.
    Weit würden sie so nicht kommen. Das wusste er. Er hatte keine Kraft mehr und würde es nicht bis zu dem leer stehenden Farmhaus schaffen, wo sie den Tag verbringen wollten. Vielleicht, wenn er genügend Kraft zum Laufen hätte. Aber nicht so. Das würde er nie vor Morgengrauen schaffen. Sie sollte allein gehen. Er musste ihr das sagen …
    Aber er machte sich ganz unnötige Sorgen. Es dauerte nur Minuten, bis sie einen Unterschlupf gefunden hatte in einem Felsüberhang. Sie half ihm ins Innere, zog ihn in die entlegenste Tiefe und ließ ihn dann auf den kühlen Felsenboden gleiten. Und schon verschwand sie wieder nach draußen und ließ ihn allein.
    Diesmal wusste er, sie würde wiederkommen. Nein, allmählich kannte er sie gut genug und wusste, in diesem jämmerlichen Zustand würde sie ihn nicht seinem Schicksal überlassen. Sie hasste ihn vielleicht, war jedoch eine Frau mit moralischen Grundsätzen. Wahrscheinlich würde sie selbst ihren schlimmsten Feind nicht in so einer Situation zurücklassen.
    Augenblicke später kehrte sie mit den Armen voller Pinienzweige zurück. Ein halber Baum, wie es aussah. Sie flocht eine dichte Abschirmung daraus und versperrte die Höhlenöffnung damit, um die Sonne fernzuhalten. Und dann kam sie wieder näher, kniete vor ihm, ließ den Blick über seinen Körper schweifen und kniff bei jeder roten Verbrennung, die sie sah, die Augen zusammen.
    „Ich könnte ein Feuer machen und unsere Kleidung trocknen“, sagte sie.
    „Im Augenblick möchte ich kein weiteres Feuer mehr sehen.“ Die Brandwunden waren nicht besonders groß und lagen überwiegend an den Waden, aber auch einige Stellen an Unterarmen und Rücken hatten Verbrennungen erlitten.
    „Bringt dich das um?“, flüsterte sie ängstlich.
    „Das Glück hast du nicht.“ Er konnte sich einfach nicht beherrschen und sah sofort, wie ihre Lippen dünner wurden. Die Qual in ihren Augen nahm zu.
    „Du leidest.“
    „Du auch“, sagte er, richtete sich ein wenig auf, um sie besser sehen zu können. Sie wandte sich schnell ab. Jedoch nicht schnell genug. Ihre Tränen hatte er bemerkt. „Meine Schmerzen sind verschwunden, wenn die Nacht wieder anbricht, Angel. Es sind nur noch ein paar Minuten bis zum Morgengrauen. Aber deine verfolgen dich in deine Träume, richtig?“
    Ihre Schultern bebten; als sie sich wieder zu ihm wandte, waren ihre Wangen nass, und sie zitterte am ganzen Körper. „Ich dachte, sie wäre es“, flüsterte sie. „Als ich dieses Baby weinen hörte, dachte ich …“
    „Ich weiß.“ Sein Hals fühlte sich wie zugeschnürt an. „Ich weiß, Angel. Das dachte ich auch.“
    Sie neigte den Kopf, als die Tränen sie überwältigten, und er konnte nicht anders. Er schlang die Arme um ihre zitternde Gestalt und zog sie dicht an sich. So hielt er sie fest und hielt seine eigenen Tränen der Verzweiflung zurück.
    Zum Teufel mit seinem Hass. Er konnte sie auch später noch hassen. Jetzt strich er ihr über das seidige Haar, streichelte ihre bebenden Schultern und wiegte sie in den Armen, bis man hinter dem dichten Geflecht der Pinienzweige erahnen konnte, dass die Sonne aufging. Und ließ sie in

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