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Erinnerungen der Nacht

Erinnerungen der Nacht

Titel: Erinnerungen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: MAGGIE SHAYNE
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du das?“
    Er lachte, ein kehliger, sinnlicher Laut aus tiefster Brust. „Angelica, wir sind nicht die einzigen Vampire, die ohne Worte kommunizieren können. Aber … zwischen uns beiden scheint es viel stärker als bei anderen zu sein.“
    Ich wandte mich nicht ab, als er mir tief in die Augen sah.
    „Mach deine Amethystaugen zu, Angel“, sagte er leise und so zärtlich zu mir wie zu einer Geliebten. „Und denk an die anderen. Sprich mit ihnen.“
    „Aber sie sind noch nicht einmal hier.“
    „Versuch es“, drängte er mich.
    Ich gehorchte. Ich schloss die Augen und dachte intensiv an Tamaras hübsches Gesicht. Meine Gedanken kamen langsam in Gang, und ich konzentrierte mich verbissen. Tamara? Bist du da? Kannst du mich hören?
    Wir sehen uns in spätestens einer Stunde, Angelica. Ich hörte Tamaras Gedanken klar und deutlich und so sanft wie ihre gesprochenen Worte.
    Ich riss vor Überraschung die Augen auf. Hast du etwas herausgefunden?, dachte ich hastig und voller Hoffnung.
    Wir kennen die Lage der Blockhütte. Bis ihr beiden wieder bei Jameys Auto seid, sind wir auch dort. Das verspreche ich dir, Angelica.
    Ich runzelte die Stirn und betrachtete den Vampir, der mich durchdringend fixierte. „Sie nennt dich Jamey“, sagte ich anzüglich. „Danach wollte ich schon die ganze Zeit fragen.“
    „So wurde ich als Junge genannt. Tamara kann alte Gewohnheiten offenbar nur schwer abschütteln. Manchmal fällt es ihr schwer zu akzeptieren, dass ich kein Kind mehr bin.“
    Mir war unbegreiflich, wie jemand diesen kräftigen, großen, schönen Mann als Kind betrachten konnte. Er hatte den Körper eines Gottes. Eines dunklen, gefährlichen, heidnischen Gottes, in dessen Augen erotische Versprechen leuchteten. Und je mehr Zeit ich mit ihm verbrachte, desto verzweifelter wünschte ich mir, dass er diese Versprechen einlösen würde.
    Er schaute mich durchdringend an, seine Augen weiteten sich.
    „Was?“, fragte ich ihn erschrocken.
    Er blinzelte und schüttelte den Kopf. „Nichts. Vergiss es. Komm, wir sollten uns auf den Rückweg machen.“
    „Kein Grund zur Eile. Ich kann laufen wie der Wind.“
    Er sah mich ein wenig seltsam an. „Ja, das stimmt wohl.“
    „Das war mir vorher gar nicht bewusst.“ Ich drehte mich beim Gehen zu ihm um. „Was kann ich sonst noch, Vampir?“
    Er zog die Brauen hoch, sein Kiefer zuckte hin und wieder. Und er schien mir nie sehr lange in die Augen sehen zu können. „Na ja, das mit dem Springen hast du ja schon erlebt.“
    „Fast wie fliegen“, sagte ich, legte den Kopf in den Nacken und sah zum hohen, breiten Ast eines Ahornbaums hinauf. „Wie hoch ich wohl springen kann?“
    „Angelica, nicht jetzt.“
    Aber da duckte ich mich schon, sprang himmelwärts und segelte hinauf in die Nacht. Ich landete nicht auf dem Ast, bekam ihn aber zu fassen, hielt mich fest und baumelte daran. Sie konnten mir meine Tochter nicht wegnehmen, überlegte ich, während ich da oben hin- und herschwang. Niemand konnte das. Ich war stärker. Mächtiger. Und zum ersten Mal ließ ich zu, dass diese Kraft durch mich strömte.
    Ich sah hinab auf den Vampir, der ein bisschen ratlos zu mir aufblickte. Dann ließ ich los und schlug einen Salto, während ich fiel. Bei der Landung stürzte ich und landete ungeschickt vor seinen Füßen. Er sah mich nur an und schüttelte den Kopf.
    „Alles in Ordnung, Angelica? Du drehst mir doch jetzt nicht durch, oder?“
    Ich stand auf und strich Zweige und trockenes Laub vom Kleid. „Wir werden sie finden. Ich spüre es.“
    Er nickte mir zu. „Ich glaube dir.“
    Ich sah zum Himmel. „Und ich habe mit Tamara gesprochen. Die noch Meilen entfernt ist, aber ich habe im Geist mit ihr gesprochen, Jameson. Weißt du, wie unglaublich das ist?“
    Einer seiner Mundwinkel zuckte nach oben. „Ja. Ich weiß es.“
    „Was gibt es noch?“ Ich stand vor ihm und sah ihm in die Augen. „Was habe ich noch übersehen an meinem neuen Dasein?“
    Er zog die Brauen zusammen und sah mir lange ins Gesicht. „Hör zu“, sagte er leise. Ich öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber er hielt einen Finger hoch, damit ich schwieg. Also schwieg ich und horchte. Zuerst hörte ich nur die normalen Geräusche des Waldes. Wind in den Piniennadeln, hier und da das Lied eines Nachtvogels. Aber dann stimmten nach und nach mehr Stimmen in den Chor ein. Ein Zweig knackte, dann mehrere. Das Geräusch eines Eichhörnchens, das durch das abgefallene Laub huschte. Das ferne Klopfen eines

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