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Erinnerungen der Nacht

Erinnerungen der Nacht

Titel: Erinnerungen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: MAGGIE SHAYNE
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seinen Armen liegen, als sie einschlief. Augenblicke später schlief auch er.
    Er war kein Monster. Ich erwachte in seine Arme gekuschelt, den Kopf auf seiner Brust. Und ich wusste, ich hatte ihn so unglaublich falsch eingeschätzt. Ich hatte ihn vom ersten Augenblick an in die Defensive gedrängt, ihn angegriffen, ihm Vorwürfe gemacht, und im Gegenzug hatte er mir seine schlechtesten Seiten gezeigt. Wenn er mich verabscheute, wurde mir klar, dann nur, weil ich ihm allen Grund dazu gab.
    Er wusste, dass das schreiende Kind nicht seins war. Das wusste er schon, bevor er in das umgestürzte Auto kroch. Daran bestand kein Zweifel. Und dennoch hatte er es getan. Er zog sich Verbrennungen zu, und ich wusste nur zu gut, ein Windhauch, ein falscher Schritt, und er hätte lichterloh brennen können. Jeden Moment hätte er denselben qualvollen Tod sterben können wie die Kreatur, die ich getötet hatte. Und er nahm das Risiko auf sich, um das Kind einer Fremden zu retten. Einer sterblichen Fremden obendrein.
    Ich kannte sterbliche Männer, christliche Männer, die nie und nimmer getan hätten, was diesem dunklen Dämon eine Selbstverständlichkeit zu sein schien. Er war keine Verkörperung des Bösen. Kein Teufel, den man geschickt hatte, um mich zur Sünde zu verführen. Er war nur ein Mann. Ein Mann voller Wut und auf der Suche nach Rache, ja. Aber auch ein Mann mit einem guten Herzen, grenzenlosem Mut und selbstlosen Tugenden.
    Und mit wunderschönen samtbraunen Augen, deren schwarze Tigerstreifen im Mondlicht glänzten.
    Und einer gerechtfertigten Abneigung gegen mich.
    Er schlug die Augen auf und sah mich an. „Du bist vor mir wach. Das ist ungewöhnlich.“
    „Die Verbrennungen scheinen dich mehr geschwächt zu haben, als dir bewusst war.“ Ich richtete mich langsam auf, obwohl es mir nicht gefiel, mich von ihm zu lösen. Ein prächtiges Kissen, seine Brust, und selbst während er ruhte, hatte er mich in den Armen gehalten.
    „Wahrscheinlich hast du recht. Ich fühle mich immer noch ein wenig kaputt.“
    Ich drehte den Kopf und sah ihm direkt in die Augen. „Vielleicht musst du …“
    Er warf nur einen ganz kurzen Blick auf meinen Halsansatz, dann kniff er die Augen zu und wandte sich ab. „Ich muss schnellstens aus dieser Höhle hinaus.“ Er richtete sich auf, ging zum Höhleneingang und schlug meinen Schirm aus Pinienzweigen mit einer einzigen Bewegung seines kräftigen Arms weg. Dann trat er ins Freie, legte den Kopf in den Nacken, inhalierte tief, wodurch sich seine atemberaubende Brust wölbte, und streckte die Arme über den Kopf. Ich blieb am Eingang und sah ihn einfach nur an. Bewunderte – nicht zum ersten Mal – die unglaubliche Schönheit dieses Mannes. Und mir wurde klar, dass ich vorher vielleicht gar nicht in der Lage gewesen war, das alles zu sehen. Weil ich mich an die Denkweisen der Sterblichen klammerte.
    Höchste Zeit, mich an die Tatsache zu gewöhnen, dass ich keine sterbliche Frau mehr war.
    Der Gedanke jagte mir einen Schauer der Angst – möglicherweise auch der Erregung – über den Rücken. Dann erst bemerkte ich noch etwas anderes, das meine ganze Konzentration erforderte.
    Die Erkenntnis traf mich völlig unvorbereitet. Meine Tochter … sie war in der Nähe. Wohlbehalten und sicher. Warm, behütet und beschützt. Langsam erfüllte mich neue Hoffnung und die Gewissheit, dass ich diesen kleinen Menschen, noch ehe diese Nacht zu Ende ging, in Händen halten würde. Dieses Wissen – Gewissheit – machte mich fast schwindelig vor Aufregung.
    Ich verließ die Höhle und stellte mich neben ihn. „Es geht ihr gut“, teilte ich ihm mit, da drehte er sich ganz langsam zu mir um und sah mich stirnrunzelnd an. „Amber Lily ist unversehrt und in Sicherheit und nicht weit von uns entfernt, Jameson. Ich kann sie spüren.“
    Er betrachtete mich immer noch ungläubig, doch dann breitete sich ein Lächeln über sein Gesicht aus. Es war so wunderbar. Seine in der Dunkelheit blitzenden weißen Zähne schienen mir der Inbegriff reinster Schönheit zu sein. Er rückte näherte und nahm meine Hände in seine. „Bist du sicher?“
    „Ja. Ja, wir sind ganz in ihrer Nähe. Wir finden sie bald. Ich weiß es.“
    Seine Erleichterung konnte ich fast greifen, er stieß die Nachtluft aus, die er eingeatmet hatte, und ließ dabei meine Hände los. „Gut. Die anderen müssten auch jeden Moment hier sein“, sagte er. „Wir treffen sie in dem leer stehenden Haus, wo das Auto steht.“
    „Woher weißt

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