Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Erknntnisse eines etablierten Herrn

Erknntnisse eines etablierten Herrn

Titel: Erknntnisse eines etablierten Herrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
Vom Netzwerk:
Freunde, soweit greifbar, vorfinden: Ines und Peter, die beiden Wolfgänge, Hubert und sogar Renate. Sie hatte sie einfach angerufen, wollte sie kennenlernen, diese tüchtige Renate, die so Erstaunliches leistete. Das sollte ihre Überraschung sein. Darauf hatte sie sich gefreut.
    Jetzt steht er da, überrascht ohne Zweifel, aber nicht so freudig wie erwartet. Er wollte mit ihr allein sein, und genau das wollte sie nicht, wie er sieht. Die Nähe kürzlich hat sie weiter auseinandergerückt. Auf ein von ihr gekochtes Essen hat er sich gefreut, auf das Gespräch zu zweit, und nicht auf Weißt-du-noch-Unterhaltung, obendrein in diesem Konzentrat. Sie wirkt gar nicht sonderlich harmonisch, die alte Clique. Ines und Peter sitzen in der Ecke bei Hubert, der raucht, aber nicht spricht, was nicht bedeutet, daß er sich nicht wohl fühlt; die Wolfgänge machen Konversation mit Renate, und Daniela gebärdet sich auf nervöse Art mütterlich, dabei profihaft, als habe sie sich vorgenommen, ihre Gäste zum Eintritt in ihre Partei zu bewegen.
    Iß nur, wo gern gekocht wird, sonst hast du schlechte Laune im Magen! Diesen Satz Peters bestätigt das Büfett. Aspikglänzend liegt es da, auf Silbertabletts, in schwungvollen Schalen, ein Augenschmaus, zum Fotografieren garniert, nicht zum Essen. Und so schmeckt es auch, aufgetaut, unpersönlich, ohne Würze, ohne Biß, gleitfähig gehalten mit Mayonnaise aus der Tube: Luxusdampferbüfett, vierte Woche auf See.
    Lukas hat sich noch nicht gesetzt. Mit dem Teller in der Hand steht er da und sieht sich um. Auch die Wohnung ist anders als erwartet. Verglichen mit Danielas fortschrittsbetonter Arbeit wirkt sie konservativ. Zwar finden sich moderne Möbel, aber nicht viele. Im Wohnraum jedenfalls nicht. Die Lampen dagegen, an schwenkbaren Chromarmen, würden in keinem Raumschiff als Fremdkörper empfunden werden. Neben einer solchen Lichtquelle sitzt Hubert auf einem Biedermeiersofa mit Blümchenstreifenbezug, und an der gegenüberliegenden Wand steht eine dazu passende Kommode. Aus der Familie vermutlich. Biedermeier ist meist noch aus der Familie; die Hochstapelei beginnt erst beim Barock. Dekorativ, so wie in der Raffung konservativ, die Vorhänge. Daniela hat nicht unbeschadet Damen der Gesellschaft in ihrem Heime fotografiert; einige Schwarz-weiß-Vergrößerungen, auf Holz aufgezogen, erinnern an den ehemaligen Beruf. Und keine Bücher im Wohnraum? Die zweifellos gelungenste Überraschung ist Renate.
    »Du hast öfter angerufen«, sagt sie. »Ich war dauernd auswärts. Die Leute ziehen aufs Land, wegen der Luft. Aber ich wußte ja, daß ich dich heute sehe.«
    Dann ist die Stimmung doch besser, als die Enttäuschung wahrhaben wollte, und die Käseplatte am Schluß versöhnt ihn mit dem gelackten Zeug davor. Hubert hält Zigarre und Weinglas in den Händen und wird gesprächig.
    »Du wunderst dich, daß ich hier bin. Ich mich auch.« Er deutet auf Daniela, die jetzt ruhiger wirkt. »Sie überredet besser als du. Es ist schließlich ihr Geschäft.«
    Die Wolfgänge schwelgen selbstvergessen. Als abgeräumt wird, stehen die kleinen Salz- und Pfefferstreuer immer noch vor ihren Tellern. Es muß lange her sein, daß sie zum letzten Mal eingeladen waren. Peter und Ines nehmen sich in dem städtischen Milieu anders aus als draußen im Holzhäuschen, absonderlich, entwurzelt. Daran ist auch ihre Aufmachung schuld. Peter trägt ein grobgewebtes, viel zu weites Hemd, dessen Ärmel an den Manschetten wie Knickerbocker überfallen; Ines wallt in einem langen Gewand, das wie ein bestickter Leinensack aussieht und ihr die Aura einer fernöstlichen Religionslehrerin gibt.
    Die Unterhaltung läuft nicht, muß immer wieder angeschoben werden. Acht Personen ist eine kritische Gästezahl: Für ein Gespräch zu viele, man sitzt zu weit auseinander, um alle zu verstehen; für zwei Gruppen zu wenige, man hört zu deutlich, was die ändern reden.
    »Wer möchte die Wohnung sehen?« fragt Daniela. Nur Lukas und Renate wollen sie sehen. Er folgt den beiden tüchtigen Frauen in die Diele, die er schon kennt.
    »Sehr großzügig. Fast wie in einem Altbau«, sagt Renate.
    Es klingt beruflich. So würde sie ihm eine Wohnung schmackhaft machen, wenn er sie bäte, sich für ihn umzusehen. Auch er sieht sich um: Konsoltisch mit Spiegel darüber, ein bemalter Bauernschrank, drei Bauernstühle, eine rustikale Kleiderablage aus Holz, die Wand dahinter mit Stoff bespannt. Aber er ist nicht bei der Sache: Daniela hat

Weitere Kostenlose Bücher