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Erlebnisse eines Erdenbummlers

Erlebnisse eines Erdenbummlers

Titel: Erlebnisse eines Erdenbummlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Karillon
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den Wegen des Herrn und in gerüsterten Schuhen, während sein dunkelblauer Leibrock mit vergoldeten Wappenknöpfen verziert war. Sein Hut konnte ihm zu allen Zeiten einen Schirm ersetzen, und da seine breite Krempe die gedrungene Figur ihres Trägers noch kleiner machte, als sie ohnedies schon war, so wird mansich allgemach vorstellen können, daß der altadelige Herr mit einem neuadeligen Champagnerstöpsel eine entfernte Ähnlichkeit hatte.
    Sein Lehrfach war, wie gesagt, die Augenheilkunde und seine Liebhaberei das Sammeln von Altertümern. Beide Disziplinen mischten sich unter seinen Dachpfannen derart lieblich zusammen, daß die Atropintropfen zumeist in Frankentaler Kaffeeschalen und des Professors Taschentücher zwischen den Blättern eines anatomischen Atlasses aufbewahrt waren. Daß man viel bei dem alten Starstecher gelernt hätte, kann nicht behauptet werden. Er sah dies selber ein und war aus diesem Grunde der beste Examinator, den man sich nur wünschen mochte. Wenn einer auch rein gar nichts wußte, so konnte er mit der Bemerkung, er müsse demnächst den Einjährigen machen, oder, wenn auch das nicht ziehen wollte, es könne das Heiraten unmöglich länger hinausgeschoben werden, eine genügende Note erreichen. Nun denn, man sollte denken, daß das Examen bei diesem gutmütigen Herrn kein Graben war, der sich nicht hätte überspringen lassen, zumal da es auch noch unerlaubte Beihilfen gab, deren sich jeder Kandidat skrupellos zu bedienen pflegte.
    Zu den letzteren gehörte es, daß man sich in die Klausur herein einen Kommilitonen bestellte, zu dessen Kenntnissen man mehr Vertrauen hatte, als zu den eigenen. Gut, ich war so weit, daß der Reichsritter mir einen Patienten zugeteilt hatte. Auf der Schwelle des Klausurzimmers stehend stellte er mir einen grauköpfigen Bauern vor mit den Worten: »Do habens also IhneIhren Patienten, dens untersuchen und dann e Krankengeschichten über sein Zustand schreiben sollen. Daß ös a wissen, i könnt Ihne ja einschließen. Sell tu i aber nit, weil i a denk, Sie wern a so kan reinlassen, der Ihnen da helfen soll und so weiter. Und daß i darauf nit vergeß: Um en zwölfe geh i aus dem Haus und punkt zwei Uhr werd i wieder da sein, wo i a jetzt steh.« Mit diesen Worten schob er den Bauer neben einem ausgestopften Krokodil vorbei zu mir ins Zimmer herein und ging zum Mittagessen in den alten Bahnhof, wie der Stadt und der Welt genugsam bekannt war.
    Ich forderte meinen Patienten auf, einmal die Augen aufzureißen. Er tat, was alle Menschen bei einer solchen Zumutung tun, er riß den Mund auf. Ich mußte mit den Fingern zulangen und die Lider zu öffnen suchen. Ich war erstaunt über den leichten Fall, den der Professor mir zugewiesen hatte. Bei dieser Sachlage hätte ich eines Helfershelfers nicht bedurft. Aber er war nun doch einmal bestellt und er war nicht abzutelephonieren. Wohl möglich, daß er dem Reichsritter unter dem Portal der Augenklinik begegnet ist, denn jener war kaum erst gegangen, als dieser schon kam. »Kinderleichter Fall,« sagte er, als er den Bauern neben mir so obenhin betrachtet hatte. »Mensch, in fünf Minuten bist du mit der Krankengeschichte fertig. Hoffentlich hast du doch für uns beide das Mittagessen bestellt und einige Flaschen Steinweines.«
    Der Klausurdiener, an Besuche längst gewöhnt, hatte während dieser Rede den Tisch gedeckt und die Gläservollgeschenkt. Wir setzten den Patienten zu uns an die Mittagstafel und fingen an zu kneipen. Die Stimmung wurde animiert, und eben wollte ich den herzensguten Reichsritter hochleben lassen, als er leibhaftig und in Lebensgroße vor uns stand. Wer am meisten erschrocken war, er oder wir, das wußte ich zunächst nicht, denn es herrschte ein verteufelt peinliches Schweigen, bis endlich der Champagnerpfropfen in die Worte ausbrach: »Nu aber jötzt! Was is aber nu dös? Jetzt hab' ich Ihna g'sagt, daß ich Punkt zwei Uhr da sein werde. Drei Minuten sans drüber, un nu is der als noch da herinnen. Was tun's jetzt aber auch Sie da?« hauchte er mit starken Akzenten meinen Helfershelfer an.
    »Ich hab' mein Mikroskop hier g'sucht. Den Herrn da kenn' ich gar nit mal,« gab dieser rasch entschlossen mit seltener Unverfrorenheit zurück.
    »E Mikroskop also haben's g'sucht? In dem Haus ist seit Christi Geburt noch kei Mikroskop nit gewese. Hörns, i will's Ihna sagen, was Sie hier g'sucht haben. Dem da haben's geholfen, aber a nit zu seim Vorteil, denn daß ens nur wissen, durchgefallen is er

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