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Erlebnisse eines Erdenbummlers

Erlebnisse eines Erdenbummlers

Titel: Erlebnisse eines Erdenbummlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Karillon
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alleweil, un da beißt kein Maus kein Faden nit daran ab, sag i und damit basta.«
    Ich fühlte, daß jetzt die Reihe zum Reden an mir war, und ich erhob mich langsam von meinem Stuhl und versuchte gesenkten Hauptes den alten Herrn umzustimmen, indem ich ihm programmäßig zu bedenken gab, daß ich mit dem ersten April das Abdienen meines Soldatenjahres zu beginnen habe.
    Er blieb ungerührt. Ich mußte stärker beschwören und führte deshalb, während der Bauer und mein Helfershelfer sich drückten, dem Starstecher die Notwendigkeit einer beschleunigten Eheschließung vor die Augen, indem ich die schüchterne Erwartung aussprach, er werde es doch nicht über sich gewinnen können, so a arms Madel unglücklich zu machen.
    Aber da hatte ich diesmal einen falschen Akkord gegriffen. Der Reichsritter fühlte sich an seiner Ehre berührt und polterte los: »Na, da kommen's mir aber erst recht überzwerch. Wo denken's hin? En alter Mann, un e jungs Madel unglücklich machen! Daß ens mir dös nit en zweites Mal sagen!«
    Alle heiligen Nothelfer, ich merkte, daß ich mich in einem Punkte falsch ausgedrückt hatte, der dem Alten womöglich Alimentationspflichten zuwälzen könnte. Ich mußte die Sache, so peinlich sie auch war, wieder richtigstellen. Ich bemühte mich also, in den beweglichsten Worten ihm zu versichern, daß ich mich rückhaltlos zu allen Voraussetzungen bekennen würde, die in solchem Falle nötig wären, wenn er – was für ihn doch ein leichtes wäre – die Sache doch so drehen wolle, daß die Kindtaufe nicht vor die Hochzeit falle.
    All mein Bitten war umsonst für heute. Der alte Starstecher erklärte mir, daß er diesmal auch in einem so dringenden Falle keine Nachsicht üben werde und, übel oder wohl, ich mußte für heute die Klinik verlassen.
    Ich ging nach dem Theatercafé, wo ich einen Teil meiner Bekannten noch beim Skatspielen antraf. Nichtin der besten Laune setzte ich mich neben den Kandidaten Stenger, von dem ich mich angezogen fühlte, weil er eben einen Nullouvert verloren hatte, und somit gleich mir zu den Bedauernswerten gehörte.
    »Du kommst aus dem Juliusspital,« sagte er kleinlaut. »Hast du nichts von Venedey gehört?«
    »Kein Wort,« wollt' ich zurückgeben, da stand wie aus dem Boden herausgewachsen der eben Genannte stramm und aufrecht in alter Burschenherrlichkeit da. Er hatte den silbernen Griff seiner Reitpeitsche gegen mich gewendet, und jedes seiner Worte scharf betonend tat er in voller Öffentlichkeit den vernichtenden Ausspruch: »Du, Karrillon, dir und dem Stenger, euch beiden würde ich in Zukunft keinen Hund mehr anvertrauen. Aber wenn der Sauter kommt, muß er mir für zwei Groschen eine Ballade auf euere Gelehrsamkeit schreiben.« Sprach's und kehrte uns den Rücken zu.
    Wehe uns, dieser Sauter! Wen er andichtete, der war der Lächerlichkeit verfallen. Als letzter Vertreter der Minnesänger trieb er sich an den deutschen Musensitzen herum und dichtete im Tagelohn über jedes Thema, das man ihm in Vorschlag brachte. In ein Poem hinein verwurstelte er Studenten und Metzgerstöchter wie der Selcher Speck und Rotfleisch in eine Fleischwurst, und nicht immer war er diskret genug, die Namen zu verschweigen. Ach, das konnte ein Unglück werden, wenn er gar das Machwerk mit all seinen Titeln und Würden unterzeichnete als da waren: Astralide oder Sterngläubiger, Mitglied der Gesellschaft zum gläsernen Himmel usw.usw. Nein, es war nicht abzusehen, wohin das alles führen konnte. Schließlich blieb dem Stenger und mir nur übrig, an die Ufer der Behringstraße abzuwandern.
    Wie dieser Venedey mich von jetzt ab ärgerte! Ich wünschte mir schon nichts mehr als die spitzigste Feder des galligsten Satirikers, damit ich mich an ihm reiben könne, wie Heinrich Heine sich an seinem Vater gerieben hatte, oder die schärfste Klinge eines Renommierfechters, damit ich ihn niedersäbeln könne, wie er seine Gegner niedersäbelte. Um ihn nicht mehr sehen zu müssen, den Unhold, verließ ich zunächst für heute das Theatercafé und am nächsten Morgen entschloß ich mich, noch einmal den Versuch zu machen, ob ich den starrköpfigen Starstecher nicht doch noch zu meinen Gunsten umstimmen könne. Denn wie wollte ich dem Hohne Venedeys entgehen, wenn er erfuhr, daß ich durchgefallen wäre?
    Den Reichsritter traf ich in sichtlich guter Laune, wie er zwischen Fechtertorsos und Schlangenhäuten in seinem Raritätenkabinett in Hemdsärmeln auf- und niederging. In seiner Nähe bemerkte

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