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Erlebnisse eines Erdenbummlers

Erlebnisse eines Erdenbummlers

Titel: Erlebnisse eines Erdenbummlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Karillon
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das. Noch hatte das Semester nicht begonnen, und schon lag eine Leiche auf der Strecke. Welch ein Gelärm über Studentenunfug wird es in der Stadt, in den Blättern geben.
    »Na, so oder ähnlich dachte ein jeder von uns und doch kam's anders. Der Hieb, den Venedey mit dem Haupte pariert hatte, war mit flacher Klinge geschlagenworden, und wie sehr auch dem Michel die Ohren klingen mochten, das Gehäuse seiner Denkkraft hatte standgehalten. Er hatte sogar wieder Sicherheit auf seinen Beinen gewonnen und er war bereit, zu einem weiteren Gange anzutreten.
    »Indessen hatte man auf der Gegenseite um Pause gebeten; Venedeys Feind hatte sich umgedreht, als ob er sich schäme, sein Gesicht zu zeigen. Und in der Tat, er hatte allen Grund zur Scham. Ein Zufall hatte es gewollt, daß einer von Venedeys ungehobelten Hieben ihm auf den Vorderarm geraten war, als er sich eben gestreckt hatte, um der Mensur mit der Quart ein Ende zu machen. Nun war das Ende allerdings da, aber anders, als der geübte Fechter es sich gedacht hatte. Ihm waren die Vorderarmsehnen durchschnitten und der Säbel fiel ihm aus der Hand.«
    So die Erzählung des Augenzeugen. Die Folgen des unerwarteten Sieges konnte ich wieder selber beobachten. Der Michel ist ein wüster Raufbold geworden. Ich glaube nicht, daß er weniger Blut vergossen hat als Herodes bei seinem berüchtigten Kindermord zu Bethlehem. Dabei war er auf dem Grunde seiner Seele eine harmlose Natur. Er besaß nur den Ehrgeiz, daß keiner seiner Kraft zu widerstehen wagen solle. Gab man zu, daß er der Bulle unter den Kälbern sei, so konnte er wie ein Kind gutmütig und vertrauensselig werden. Gerade diese Eigenschaft seines Charakters war es, die ihn zu meinem ersten Patienten machte.
    Venedey der Große lahmte in letzter Zeit ein wenig.Alle Leute sahen es mit Befremden, und daß die Zeitungen von dieser Tatsache noch keine Notiz genommen hatten, war mehr als ein halbes Wunder. Was mochte ihm nur fehlen, unserem tapferen Rufer im Streit? Ja, wer den Mut gehabt hätte, den Gewaltigen danach zu fragen!
    Nun, eines Tages erfuhr ich's ohne zu fragen. Venedey hatte sich mir angeschlossen, als wir vom Mittagessen gingen. Er war redselig heute, und er wich nicht von meiner Seite, obwohl wir bereits an dem Zigarrenladen vorübergekommen waren, wo er einzukaufen pflegte. Das war auffällig und mir schwante schon etwas, als ob er mich anpumpen wolle, obwohl er nie in Geldverlegenheiten war. Doch mein Verdacht war grundlos. Er begleitete mich auf meine Bude, machte sich's auf dem Sofa bequem und erkundigte sich, in welcher Station meines Staatsexamens ich gerade angekommen wäre. Als ich ihm sagte, daß ich seither gut abgeschnitten und Grund zur Hoffnung hätte, auf die Menschheit losgelassen zu werden, meinte er so nebenbei: dann brauche wohl auch er sich nicht weiter vor mir zu genieren und er wolle mich bitten, einmal nachzusehen, ihm falle das Gehen schwer, und er fürchte, daß eine Hüftgelenkentzündung bei ihm im Anzug sei.
    Daß Venedey, der Unbesiegbare, Vertrauen zu meiner Heilkunst hatte, erfüllte mich mit berechtigtem Stolze. Bis auf seinen dicken Bauch ahmte ich das Aussehen meines Lehrers Linhart nach. Ich setzte den Zwicker auf die Nase, zog die Oberlippe in die Höhe, räusperte ein wenigund tat alles, wovon ich dachte, daß es meinem Klienten imponieren könne. Ich spähte, klopfte, fühlte und horchte an dem erlauchten Patienten herum, bis ich endlich so weit war, das Resultat all meiner Forschungen in die Formel binden zu können: »So leid es mir tut, mein Verehrtester, aber ich kann nur die eine Erklärung abgeben, daß aller Irrtum ausgeschlossen ist, und daß du zweifelsohne an einer Hernia inguinalis leidest.«
    Mit dem Kunstausdruck hoffte ich den Übermenschen zu betäuben, wie ihn seinerzeit der flache Säbelhieb betäubt hatte. Allein meine fremdsprachlichen Brocken machten auf den Allgewaltigen keinen Eindruck. Phlegmatisch erhob er sich vom Kanapee, um seine Kleider zu ordnen, und als er eben seinen rechten Hosenträger über die Schulter zog, ließ er sich huldvollst zu der gnädigen Bemerkung herab: »Es freut mich, daß ihr Kerle doch eure Eltern nicht ums Geld betrogen, eure Zeit nicht verbummelt und etwas Tüchtiges erlernt habt. Daß ich es dir nur eingestehe, bevor ich zu dir kam, bin ich nämlich schon beim Bundesbruder Stenger gewesen. Er hat das gleiche gesagt wie du, und wenn es schon einmal vorkommt, daß zwei Mediziner das Gleiche sagen, so darf man mit

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