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Erlebnisse eines Erdenbummlers

Erlebnisse eines Erdenbummlers

Titel: Erlebnisse eines Erdenbummlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Karillon
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ich seinen Assistenten, auf den ich mich im Notfalle wie auf einen Fürbitter vorm Throne der Allmacht verlassen zu können glaubte. Ich nahm die Miene eines Leichenbitters an und suchte meine Frechheit vom Tage vorher mit der Zudringlichkeit meines Helfershelfers zu entschuldigen. Ich trug vor, wie der Geselle leider nicht rechtzeitig fortzubringen gewesen sei, nachdem er einmal den Duft des Steinweines gerochen hatte.
    Diese Ausrede schien den Reichsritter schon etwas milder zu stimmen und ich hatte gewonnenes Spiel, alsder Assistent sich mit der Bemerkung in die Unterhaltung mischte. »Erinnern Sie sich nicht, Herr Professor, das ist der Kandidat, zu dem Sie einmal beim Praktizieren gesagt haben: ›Wo haben Sie nur all die Kenntnisse her? Ich bin gar nicht gewohnt, daß bei mir die Herren was lernen.‹«
    Der alte Sammler sammelte seine Gedanken ein wenig, und indem er mich mit forschenden Augen ansah, sagte er nach einer kleinen Pause: »Na, so wollen wir dann versuchen, ob's Madel noch vorm Kindbett unter die Haube zu bringen ist. Mag Er denn dableiben, Kandidat, das Examen kann gleich von neuem losgehen.«
    Von jetzt ab bedrängte er mich acht Tage lang in der unerhörtesten Weise, ohne mich aus dem Sattel meiner Kenntnisse heben zu können. Am neunten Tage gab er die weiteren Versuche auf, indem er mir erklärte: »Daß Sie 's wissen, Sie haben e ganz gutes Examen g'macht, aber die schlechtst Not kriegens halt doch, ein Vierer mein ich. Sind's zufrieden damit?«
    Ich nickte schweigend mit dem Kopfe und er fuhr fort: »Da die Geschicht mit dem Madel ja doch verlogen is, und Sie nu demnächst fertig sind, wissens was, da könntens da bei mir als Assistent bleiben. So nach und nach bin i e alter Mann worden, un muß dran denken, daß i mir en Sarg anmessen lasse. E' Privatdozent is zurzeit nit da. Sehens, wenns Ihne habilitieren täten, dann könntens nach e paar Semester ganz schön da an der Universität unterkriechen.«
    Da mir der Vorschlag einleuchtete, so fragte ich forsch heraus: »Und welches Gehalt geben Sie mir im Jahr?«
    »Sie kriegen sechshundert Mark,« antwortete der Ritter, ohne zu erröten.
    »Und freie Station,« forschte ich weiter.
    Er erhob sich wie ein Känguruh auf den Hinterbeinen und sagte: »Wo denkens a hin? Freie Station, nei, die könnens nit haben.«
    »Mit sechshundert Mark im Jahr, das werns zugeben, kann ich doch nit leben.«
    »Alldarnach, was Sie essen.«
    »Kalbsragout mit Nudeln für zweiundfünfzig Pfennig an jedem Abend im alten Bahnhof.«
    »Dös wanns essen wollen, dann könnens mit sechshundert Mark nit auskomme.« So sagte er noch und ließ mich stehen. Damit war meine Aussicht auf eine akademische Lehrkanzel vernichtet, aber mein Examen wenigstens war bestanden.

»Zur alten Heimat geh' ich ein«

    rzt war ich nun nach einem leichten mündlichen Schlußexamen, und daß ich es war, hatte mir mit einem Schlage die Welt umgestaltet. Klein erschien mir jetzt der große Venedey und schal das studentische Treiben, in dem Augenblick, wo mir der Lebensernst mit strengen Problemen gebieterisch ins Gesicht sah. Daß der Jüngling in mir abgetan und der Mann von mir gefordert wurde, daswar's, was mir den Abschied aus der Musenstadt zu einem schmerzlichen Ereignis machte. Schöne Augen weinten mir nicht nach, wenn es nicht vielleicht die eines Wesens waren, das als Kirchhofsblüte an meinem Wege gestanden und an das mich Mitleid mehr als Liebe gefesselt hielt. Ich hatte nämlich im letzten Winter noch einmal meine Wohnung gewechselt. Diesmal war ich zu zwei alten Leuten gekommen, die wie Philemon und Baucis ein stilles Haus in der Eichhornstraße bewohnten. Da sie kinderlos geblieben waren, so verzottelten sie semesterweise an die unterschiedlichsten Studenten, die jahraus, jahrein bei ihnen wohnten, ihre Zärtlichkeiten. So weit ging die Fürsorglichkeit des Paares gegen mich, daß ich zu Bett getragen wurde, wenn es mir einfiel, mich betrunken zu stellen. Item, die liebenswürdigen Alten, waren eines Tages damit beschäftigt, die Betten zu lüften, die Sofas zu klopfen und die Gänge zu scheuern. »Was ist los, Frau Gründlich?« fragte ich im Vorübergehen.
    »Ach Gott, Herr Doktor, wir hätten's Ihnen schon lange sagen sollen, aber wer denkt an alles. Besuch werden wir kriegen, und nun erschrecken Sie nur nicht, von einem jungen Mädchen gar. Aber daß Sie doch ja nicht denken, wir werden Sie nachher vernachlässigen. Leider sie ist krank, das Mädchen nämlich. Sie kommt von

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