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Erlebnisse eines Erdenbummlers

Erlebnisse eines Erdenbummlers

Titel: Erlebnisse eines Erdenbummlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Karillon
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Ufer.
    Zu Hause angekommen, fand ich meine Wirtin in nicht geringer Aufregung. Sie hatte mein Frühstück über die Straße getragen und an meiner Tür gepocht. Als niemand öffnete, erwachten in der guten Frau allerlei ängstliche Vorstellungen. Die Hofreite, in der ich wohnte, genoß nicht den besten Ruf. Man wollte schon Geisterstimmen aus ihr vernommen haben und ein früherer Besitzer, der einmal einen Grenzstein versetzt hatte, rollte, ein zweiter Sisyphus, das corpus delicti der Sage nach in den Wochen des Adventes über die Holzstiegen. Na, wer konnte unter solchen Umständen mit Sicherheit wissen, was aus dem neuen Doktor geworden sein mochte? Zum Glück war ich eben noch in die Gaststube des »Löwen« eingetreten, bevor man den Polizeidiener Rüßler in Trab gesetzt hatte, und trotz meiner Verkleidung wurde ich als der Richtige erkannt.
    Nachdem ich meine Erlebnisse kurz zum Besten gegeben hatte, mußte ich natürlich zum Schutze gegen Erkältungen Kaffee zu mir nehmen. Und dieser himmlische Trank wirkte in der Tat derart erfolgreich, daß ich weder einen Schnupfen noch auch den geringsten Husten davontrug. Das einzige, was mich unangenehm belästigte, war in den folgenden Tagen ein geheimnisvolles Beißen über meinen Schädel hin, das mich dann am meisten quälte, wenn ich zu geographischen Afrikastudien mich vor den grünen Schirm der Petroleumlampe am Abend niedergesetzt hatte. Über das Nesselfieber hinweg hatte ich alle Krankheiten der medizinischen Enzyklopädie bis zur Hysterie herunter schon für dieses Beißen verantwortlichgemacht, bis eines schönen Abends während meiner Kratzbemühungen mit hörbarem Aufschlagen ein schwerer Gegenstand gerade mitten in den Kongofluß meines Atlasses hineinfiel. Wäre er wirklich voll Wasser gewesen, so hätte den Gegenstand die Tiefe verschlungen, bevor ich noch hätte feststellen können, wer er war. So aber konnte ich ihm nachsehen und konstatieren, daß er Beine hatte und auf dem Rücken gar ein schwarzes Kreuz nach Art der Mühlesel.
    Himmel, Wetter! Nun wußte ich, woher mein Beißen kam. Keine Frage mehr, ich hatte vom Wörth herüber einige Läuse mitgebracht. Ach und was für eine Sorte! Überläuse waren's, die sich an den Zinken meines Kammes mit Verzweiflung festklammerten. Ich muß schier annehmen, daß man sie da drüben zum Backsteintragen verwendete. Nie noch hatte ich im Leben solche Monstra zu Gesicht bekommen. Wie hätte dem seligen Nietzsche das Herz sich erweitern müssen, wenn er gesehen hätte, wie seine Lehren wenigstens irgendwo auf Erden in die Tat umgesetzt waren.
    Nun mit Hilfe des Dorfbarbiers Pfeffer und eines Krügleins voll grauer Salbe aus der Apotheke zu Guntersblum wurde ich die Tausendfüßler innerhalb weniger Stunden los. Das Beißen und ein unsauberes Gewissen aber hatte ich noch mehrere Monate lang und auffallenderweise gerade dann am stärksten, wenn jemand hinter mir stand und mir, wie ich annahm, ins Genick sehen konnte.
    Im übrigen war meine Praxis in der billardebenenGegend bei weitem nicht so abenteuerreich, wie ich es wünschte. Daß einmal ein Räuber des Nachts meinen Weg versperrt hätte, oder ein Wagen unter mir zusammengebrochen wäre, kam gar nicht vor, und allzu romantisch war auch das nicht, was ich nun zu erzählen habe, obwohl ich einen nicht geringen Schrecken dabei ausgestanden hatte.
    Von der Bahnstation Mettenheim führte eine beinah kerzengerade Chaussee nach meinem Amtssitze Eich. Rechts von der Landstraße etwas entfernt, liegt zwischen Sandhügeln halb versteckt ein mit den Resten einer abbröckelnden Schlängelmauer umgürtetes Gehöft.
    Außer zwei Gutsbesitzern hauste allda als Schankwirt ein gar seltsamer Mensch. Er hatte einen dicken Kopf, breite Schultern und kurze Beine. Obwohl er nicht länger war als ein ausgewachsener Reiterstiefel, konnte er sich doch in eine haushohe Wut hineinreden lassen, was nicht schwer war für seine Gäste, da der zwerghafte Wirt allerlei Seltsamkeiten sein eigen nannte. So hatte er beispielsweise seinen Schubkarren frisch anstreichen lassen und trug seitdem seine Heringsfäßchen, um den Karren zu schonen, auf den Schultern von Osthofen herunter und wieder zurück. Dem Räderwerk seiner Wanduhr zu Liebe halte er den Perpendickel festgenagelt. Wer ihn über solche Dinge zur Rede stellte, konnte ihn in eine schier komische Raserei hineintreiben, und es ist verständlich, daß er im Volksmund nur noch kurzweg der »Zornwirt« hieß.
    Zu diesem Zunftgenossen des

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