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Erlebnisse eines Erdenbummlers

Erlebnisse eines Erdenbummlers

Titel: Erlebnisse eines Erdenbummlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Karillon
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für ein holländischesGeschäft am Kongo tätig und erhitzte meine leicht erregbare Phantasie durch lebhafte Schilderungen der Tropenwelt. Von da ab weilte fast nur noch mein Körper in der rohrbestandenen Sumpflandschaft, während mein Geist zwischen Lianen und vielgestaltigen Orchideenblüten der Urwaldstämme mit Schmetterlingsflügeln herumschwebte. Immer mehr und mehr gewann der Vorsatz des Auswanderns in meinem Inneren Form und Gestalt, namentlich dann, wenn ich mir vom Polizeidiener mein Kontobüchlein zeigen ließ und mit Staunen wahrnahm, daß mein Vermögen schon weit über das hinausgewachsen war, was ein anständiger Mensch für ein bescheidenes Leichenbegängnis nötig hatte.
    Aber halt die Pferde an, Fuhrmann! Da war mein guter Vater noch, der durch meine Abreise das letzte von seinen elf Kindern aus dem Auge verloren hätte, und dann – und dann – es war eben noch ein Wesen da, zu dem hinüber sich so langsam ein Faden gesponnen hatte, der sich wohl noch hätte zerreißen lassen, aber nicht so, daß nicht eine schmerzliche Stelle hüben oder drüben zurückgeblieben wäre.
    An einem Bauernhofe vorüber führte mein Weg des öfteren über ein Stückchen Rasen, auf dem außer einem Nußbaum noch andere Bäume so standen, daß man zwischen ihnen bei schönem Wetter ein Waschseil bequem spannen konnte. War's Zufall oder Fügung, daß ich unter flatternden Wäschestücken des öfteren eine Mädchengestalt beobachten konnte, die mir in ihrem schlanken Körperbau gar wohl gefiel, zumal wenn sie die Armenach oben reckte und mit arbeitsgewohnten Fingern die Klammern verteilte über den schneeigen Glanz der Leinenstücke hin. Beim ersten Anblick werde ich mir wohl nicht allzuviele Sorgen über das Mädchen gemacht haben. Beim öfteren Hinsehen muß mir aber der Gedanke gekommen sein, daß die Kleine so das richtige Mittelstück wäre zwischen einer hyperkultivierten Modedame und einem bürgerlichen Arbeitsweibe, ebenso beschaffen und zurechtgestutzt, wie sie für den bescheidenen Haushalt eines Landarztes paßte, und ich fing an, dem Mädchen ein wenig den Hof zu machen. Soll ich das Alltägliche zu beschreiben versuchen? Ich werd' es bleiben lassen! Man nützt keinem anderen damit, wenn man den eignen Liebesweg topographisch wie eine Wandkarte hinzeichnet. Immer sind Amors Pfade andere, und wie vorsichtig man auch auf sie treten mag, gewöhnlich enden sie vor dem Schreibtisch eines Standesbeamten. Nun, so weit war es vorläufig bei mir noch nicht. Ich hatte zunächst noch einen Winter vor mir, den ich auf dem Lande zubringen wollte, aber der wäre mir zum zweiten Male beinahe verhängnisvoll geworden.
    In breiten Tafeln trieb das Treibeis träge den Rheinstrom hinunter. Nur hier und da wagte sich der Kahn eines verwegenen Schiffers zwischen die Schollen, um am anderen Ufer spurlos zwischen den kahlen Weidengerten zu verschwinden. Ich war an diesem Tage an der Rheinfähre bei einem kranken Kinde gewesen und ging langsam durch eine langweilige Pappelallee dem Dorfe zu. Es schneite mehr und mehr, und schon mußteich den Schnee von meinen Schuhen klopfen, als ich über die Schwelle meiner Wohnung trat. Der Wind rüttelte an den Fensterläden, als ich mich zu Bette legte. An dieses Geräusch war ich gewöhnt, und es störte meine Nachtruhe nicht weiter. Ganz anders war's, wenn jemand noch so vorsichtig auf die Haustürklinke drückte. Da fuhr ich auf und war mein Schlaf noch so tief gewesen. Und heute hatte es auf die Klinke gedrückt. Schon zum zweiten Male, bevor ich Zeit gefunden hatte, mit den Beinen in die Hosen zu fahren. Ich zündete Licht an und öffnete das niedere Fenster. Im Hofe stand frierend einen dicken Schal um den Hals gewickelt, ein ärmlich gekleideter Mann.
    »Es wird nichts anderes übrig bleiben,« sagte er, »Ihr werdet mit müssen aufs Wörth hinüber. Es handelt sich um eine Wöchnerin.«
    Natürlich mußte ich mit, da gab es doch keine Widerrede, wo es sich um das Leben von zwei oder noch mehr Menschen handeln konnte. Ich also aus dem Hause heraus und neben dem Boten her. Bald hatten wir die Gasse hinter uns und befanden uns im Feld. Der Wind pfiff in den blätterlosen Gerten gestutzter Weidenbäume. Was ging das uns an! Raben strichen auf und schlugen mit den Flügeln. Wollten sie uns vor etwas warnen? Wenn schon, nur keine Bedenklichkeiten! Immer voran und dahin, wo die Pflicht unsere Gegenwart verlangte.
    Plötzlich aber standen wir beide vor einer breiten, weißen Fläche. Das war

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