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Erlebnisse eines Erdenbummlers

Erlebnisse eines Erdenbummlers

Titel: Erlebnisse eines Erdenbummlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Karillon
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heimliche Helle um uns her, und es plauderte sich gemütlich in unserer Ledernische. »Schuhmacher,« sagte ich da mit einem Male, »was fällt dem Müller ein, daß er Euch gerade aus dem Bette jagt, wo er doch die drei Mägde im Hause hat und Mühlburschen mehr als ein halbes Dutzend.«
    »Da können Sie's sehen, Doktor, wie die reichen Leute sind,« sagte der Zunftgenosse von Hans Sachs. »Am Tage gilt man nichts in ihren Augen. In der Nacht aber, wenn es jedem graust, über die Türschwellen zu treten, da weiß man plötzlich, wo der Handwerksmann zu finden ist. Nun, ich darf es mit dem Reichsten im Dorf nicht verderben. Und dann, was macht es mir aus, ob ich zwischen zwölf und vier im Bette liege oder neben Euch hier im Chaischen sitze?«
    »Ihr fürchtet euch wohl nicht?« warf ich dazwischen.
    »Ich und fürchten! Pah, wäre noch schöner! Vor wem denn wohl? Den Teufel gibt es nicht, an die Hexen bin ich durch mein Weibervolk gewöhnt, und der Räuber müßt ein geschickter Kerl sein, der einem Schuhmacher was abnehmen könnte. Und dann noch, betrachten Sie den Prügel, der hier zwischen meinen Knieen steht. Einem Ochsen wollte ich damit eine beibringen, daß er nimmer wüßt, wann sein Geburtstag wäre.«
    Ich schwieg. Alles um uns schwieg. Als wir eben durch ein kleines Wäldchen fuhren, da schrie plötzlich eine Eule auf und ich merkte, wie neben mir der Schuhmacher zusammenschreckte. ›Auch kein ganzer Held,‹ dachte ich und nahm das unterbrochene Gesprächsthema wieder auf, indem ich sagte: »Bald sind wir an der Stelle, Meister, wo vor vierzehn Tagen sich ein Gutsbesitzer eine Kugel in die Stirne jagte, umfiel und mit dem Körper in die Alsenz hinein. Nicht wahr, Ihr habt davon gehört? Es soll ein Licht dort gehen, immer um die Mitternacht über dem Gumpen. Mehr als tausend Menschen sind es, die es schon gesehen haben. Was meint Ihr zu der Sache?«
    »Ich sollte glauben, der Gutsbesitzer liegt auf dem Kirchhof; was aber das Licht da soll, das weiß ich nicht zu sagen. Ist nicht die Mitternacht bereits vorüber?«
    »Nein, sie kommt erst noch. Gleich werden wir die Uhr schlagen hören vom Imsweiler Rathaustürmchen, und gleich sind wir eben auch an der verrufenen Stelle.«
    Gewiß, es war nicht recht von mir, daß ich mit demSchuhmacher so gottlos scherzte, und die Strafe dafür blieb mir nicht erspart. Wie es gekommen sein mag, daß mein Pferd in seinem scharfen Trabe scheute? Wer wird es sagen können, aber es geschah, und das Vorderrad des Wagens fuhr wider einen der Abweissteine, die am Wege angebracht waren. Krach, und zwischen Vorder- und Hinterrädern war der Wagen durchgebrochen. Unsere vier Beine schleiften auf dem Boden hin, während unsere Köpfe durch das Verdeck gegen den Kutscherbock gedrückt wurden. Infolge dieser unserer Lage waren die Zügel in meinen Händen zu lang geworden. Sie konnten nicht mehr wirken, und das Pferd schleifte den Wagen mit allem, was drum- und dranhing, mit verfluchter Schnelligkeit über den Boden hin. Was das für meine und des Schusters Knie heißen wollte, mag sich einmal einer ausmalen. Die Schreie, die mein Nachbar ausstieß, werde ich nie vergessen und auch die Heiligen nicht, an die er plötzlich glaubte und die nun als fromme Litanei hintereinander zum Vorschein kamen. Da war eine Agatha, eine Emerentia, eine Veronika. Kein Wunder, der arme Meister war übler dran wie ich, der ich die schwache Stelle meines gebrechlichen Vehikels kannte, das Bandeisen. Er mußte sich da in den scharfen Krallen des Teufels vermuten, wo ich mich nur eingeklemmt fühlte zwischen den morschen Brettern der alten Kalesche. Allzulange dauerte, Gott sei Dank, die gefährliche Fahrt auch nicht. Die Straße stieg, das Pferd tat langsam. Ich konnte mich aus dem Gerumpel herausschälen und das unruhige Tier aus den Strängenlösen, und es eilte, als dies geschehen, ungeheißen und ungeführt seinem Stalle entgegen. Nun erst wendete ich mich dem Schuster zu, der psalmodierend noch immer in den Trümmern steckte. Seine laute Andacht hatte zum Glück einen Bahnwart geweckt, der in der Nähe stationiert war und uns sein Häuschen als Verbandplatz zur Verfügung stellte. Hier war's nun, wo des Meisters Schäden besichtigt werden konnten, und es stellte sich heraus, daß er seine Schuhe seither an der verkehrten Stelle trug. Hätte er sie über die Knie gezogen, so wären wahrscheinlich wir alle mit dem bloßen Schrecken genugsam bestraft gewesen. So aber war immerhin einiges Blut

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