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Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition)

Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition)

Titel: Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Küng
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soziologisch orientierte Literatur wie zum Beispiel NORMAN K.  GOTTWALDS monumentale Geschichte der Hebräischen Bibel, die mir ganz neue Aspekte auch der Geschichte Israels überhaupt eröffnet. 9
    Mir ist dies alles wichtig, weil ich in Tübingen schon im Sommersemester 1986 im Rahmen meiner Studium-generale-Reihe »Eine Theologie für den Frieden« – nach der Eröffnungsvorlesung »Christenheit wohin?« – am 28. April die zweite Vorlesung über den »Paradigmenwechsel im Judentum« zuhalten gedenke. Dabei versuche ich eine historisch-systematische Analyse der Geschichte des Judentums zu entwickeln. Keine Mühe wird mir in den folgenden Jahren zu viel sein, um in einem multidisziplinären Zugang die epochemachenden Umbrüche und die daraus folgenden, bis heute wirksamen kulturell-religiösen Konstellationen oder Paradigmen der über 3000-jährigen Geschichte des Judentums auf neuestem Forschungsstand zu analysieren und zu profilieren.
    So hoffe ich, das sich Verändernde und das Bleibende zu sichten, die Variablen wie die Konstanten herauszuarbeiten. Gerade auf diese neue Weise will ich einen Beitrag zu einer Theologie des Friedens leisten. Das heißt, einerseits das Judentum in seinen Grundlagen, seiner Entwicklung und seinen Zukunftschancen im Übergang zu einer neuen Weltepoche zu verstehen, andererseits auch die Möglichkeiten einer wachsenden gegenseitigen Verständigung auszuloten: zwischen Juden und Juden, zwischen Juden und Christen, und vielleicht auch zwischen Juden, Christen und Muslimen.
    Wenn ich mir nach einem Vierteljahrhundert das von mir konzipierte Schema der Paradigmenwechsel aus dem Jahr 1986 wieder anschaue, erkenne ich mit Freuden, dass ich seither an der Grundstruktur kaum etwas zu ändern hatte. Ich setze ein mit dem Stämmeparadigma der vorstaatlichen Zeit (Paradigma I: 12.–11. Jh.). Dann behandle ich das von König David um das Jahr 1000 eingeführte Reichs-Paradigma der monarchischen Zeit (P II: 1000   –   586). Dieses wird nach dem Reichsuntergang und dem Babylonischen Exil (586   –   538) abgelöst von einem Theokratie-Paradigma, das ohne König von einer priesterlichen Hierarchie im neu gebauten Tempel dominiert wird (P III: 538   –   70. n. Chr.). Nach dem Untergang Jerusalems, dieses zweiten Tempels und seiner Priesterschaft im jüdisch-römischen Krieg des Jahres 70 n. Chr., folgt das rabbinisch-synagogale Paradigma des Mittelalters: ein Judentum ohne König, Priester und Tempel (P IV: 2.–18. Jh.). Erst spät in der europäischen Neuzeit wird es für viele in Westeuropa abgelöst vom Assimilations-Paradigma der Moderne (P V: 18.–20. Jh.). Diesem folgt schließlich, nach der Katastrophe des Holocausts und der Neugründung des Staates Israel, das letzte, nach-moderne Paradigma (P VI).
    Wie bereits erwähnt, begründe ich in dem oben genannten Buch »Theologie im Aufbruch. Eine ökumenische Grundlegung« (1987) ausführlich die differenzierte Übertragbarkeit der Paradigmentheorie Thomas S. Kuhns (»The Structure of Scientific Revolutions«) von der Geschichte der Naturwissenschaft auf die der Religionen und stelle so meine historisch-theologische Hermeneutik dar. Doch schon bald reift in mir der Plan, drei große Studien über die abrahamischen Religionen in Geschichte und Gegenwart zu schreiben.
    Dieses auf drei Bände angelegte Unternehmen über Judentum, Christentum und Islam unter dem Titel »Kein Weltfriede ohne Religionsfrieden« wird in dankenswerter Weise von der Robert-Bosch-Jubiläumsstiftung durch einen eigenen Assistenten unterstützt. In der Ausarbeitung wird es sehr viel umfangreicher, tiefgreifender und damit auch zeitraubender, als am Anfang angenommen; der dritte Band über den Islam kann erst 2004 publiziert werden. Ich weiß genug, um zu wissen, wie viel ich nicht weiß. Und so benütze ich jede Gelegenheit, mich besser zu orientieren, und ergreife gerne die Initiative für eigene wissenschaftliche Veranstaltungen, die dem jüdisch-christlichen Dialog voranhelfen sollen.
    Wissenschaftliche Symposien und Gespräche
    Vom 8. bis 10.   Juli 1988 reist unser Doktorandenkolloquium nach Luzern , um dort mit dem jüdischen Gelehrten Dr.  SIMON LAUER und dem höchst kenntnisreichen christlichen Judaisten Professor CLEMENS THOMA (der einzige Kollege der dortigen Katholischen Fakultät, der am Kontakt mit uns interessiert ist) zusammenzutreffen. Thoma ist Leiter des Instituts für Jüdisch-Christliche Forschung, und wir diskutieren vor

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