Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition)
Verhandlung, und auch ein Geldschein über den Schalter hilft nichts. Aber dann sage ich feierlich: »Sir, I ask you to forgive me!«, »Ich bitte Sie um Vergebung!« Sofort ändert sich das strenge Gesicht des kontrollierenden Offiziers. Dass sich ein Weißer bei einem Schwarzen in aller Form entschuldigt, ist offensichtlich ein außerordentliches Ereignis. »Okay«, sagt er gnädig lächelnd. Wir werden sofort mit freundlichsten Beteuerungen freigelassen.
Im ökumenischen Zentrum im Busch dann, wo manche junge Schwarze mit ihren Familien studieren, bekomme ich einen Eindruck von der übergroßen Armut des Landes: kein Wasser, kein Strom, auch keine Tiere mehr. Man fährt nach Swasiland, um Material für Reparaturen zu bekommen. Der Direktor des Zentrums, Dr. SIMAO CHAMANGO , tut mit seiner Französisch sprechenden Frau sein Bestes, um unseren Aufenthalt so angenehm wie möglich zu gestalten. Am Abend, wieder in Maputo, lernen wir beim Empfang in der Botschaft auch viele der sehr engagierten Entwicklungshelfer kennen – unter anderen Dr. ERFRIED ADAM (Friedrich-Ebert-Stiftung) –, von denen ich über die wenig erfreuliche Lage im sozialistischen Mosambik recht realistische Auskünfte erhalte.
In der Tat ist Mosambik durch Nationalisierung der Industrie und Kollektivierung der Landwirtschaft völlig heruntergekommen und wird nun noch durch Bürgerkrieg und Hunger völlig zerrüttet. Der Bürgerkrieg von 1980 bis 1992 zwischen der herrschenden FRELIMO und der vom Apartheidstaat Südafrika unterstützten RENAMO kostet über 900.000 Menschen das Leben. Es ging uns unter den portugiesischen Kolonialherren schlecht, sagt man mir, jetzt aber geht es uns katastrophal. Endlich kommen unter Vermittlung der katholischen Gemeinschaft Sant’ Egidio Friedensverhandlungen zustande, und aus der »Volksrepublik Mosambik« wird schließlich die »Republik Mosambik«, die beträchtliche Hilfe aus den USA und Europa erhält.
Friedliche Machtübergabe: Namibia
Glücklicherweise konstruktiver verläuft die Entwicklung im westlichsten Teil des südlichen Afrika, in Namibia am Atlantik . Nur viele farbenprächtig gekleidete Hererofrauen erinnern an die Zeit vor dem furchtbaren Vernichtungsfeldzug des kaiserlich-deutschen Heeres in Deutsch-Südwestafrika 1905 (von den ursprünglich 60.000 – 80.000 Hereros lebten nur noch 16.000; auch die Nama oder Hottentotten waren um 35 – 50 Prozent dezimiert worden).
In der gepflegten Hauptstadt Windhuk treffen wir am 13. Februar ein, freundlich empfangen von DANIE BOTHA . Interessiert mustern wir die deutschsprachigen Straßen- und Geschäftenamen (wir wohnen im Hotel »Fürstenhof«, ganz in der Nähe der deutsch-lutherischen Christuskirche). Dies alles erinnert an die deutsche Kolonie Südwestafrika aus Bismarcks Zeiten. 1986 spricht noch immer etwa ein Drittel der weißen Bevölkerung Deutsch, die übrigen meistens Afrikaans. Noch immer steht das Land unter dem Mandat Südafrikas. Freundlich zum Mittagessen eingeladen werden wir vom Generaladministrator DE VRIES , bei dem wir natürlich die offizielle südafrikanische Version der Lage in diesem aufstrebenden Land erfahren.
Nach dem Ersten Weltkrieg war Südafrika als Mandatsmacht eingesetzt worden. Die Aufforderungen der Vereinten Nationen seit 1946, das Land in die Unabhängigkeit zu entlassen, werden von Südafrika ignoriert. Das Land wird nach der Wüste Namib, die den gesamten Küstenraum einnimmt, »Namibia« genannt, um so allen seinen verschiedenen Völkern gerecht zu werden. Seit den 1960er-Jahren aber gibt es auch in Namibia eine Freiheitsbewegung, die SWAPO (South West African People’s Organization), deren bewaffneter Arm von Angola aus mit sowjetischer Unterstützung Krieg gegen Südafrika führte.
Mir ist die direkte Information wichtig: Ich höre viele Stimmen im Zusammenhang meiner Vorträge in der methodistischen und lutherischen Kirche und an der neu gegründeten Akademie. Meine eingehenden Gespräche mit den in schönen traditionellen bunten Hemden sehr höflich auftretenden SWAPO-Repräsentanten zeigen mir die volle Berechtigung ihrer Anliegen. Aber erst zwei Jahre nach unserem Besuch (1988) erklärt sich Südafrika bereit, die Besatzung aufzugeben. Die südafrikanischen Streitkräfte ziehen sich 1989 zurück, und im November 1989 finden die ersten freien Wahlen statt. Am 21. März 1990 erhält Namibia die Unabhängigkeit. Die SWAPO als stärkste Partei stellt von da an Präsident und Regierung
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