Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition)
ehrenvolle Einladung des Staatspräsidenten ablehnen? Das wäre eine Beleidigung, die ich mir nicht leisten könne, erklärt mir die Botschafterin. Ich müsse eben ein Flugzeug chartern. Dafür aber hat die Botschaft kein Geld. Und so kratze ich denn meine Dollars, D-Mark und Travellerschecks zusammen. Am 23. Februar 1986 stehen wir um 4 Uhr auf und starten mit einer Cessna noch in der Dunkelheit, um rechtzeitig in Dodoma mit dem Staatspräsidenten nach dem Gottesdienst – es ist Sonntag – das Frühstück einnehmen zu können.
Ich habe diese besonderen Anstrengungen nicht bereut. Nyerere hat den Bischofssekretär und vier italienische Ordensschwestern mitgebracht. Ein Treffen in freundschaftlicher Atmosphäre. Nyerere zeigt mir die Bücher von mir, die er in seiner Bibliothek hat. Wir tauschen uns aus über die Lage von Kirche und Welt. Über die nachkonziliare römische Entwicklung unter dem polnischen Pontifex ist auch er nicht glücklich. Ich erzähle dem geistig sehr wachen Staatsmann den damals in Europa zirkulierenden Witz über den Papst, der zur eigenen Erleuchtung von Gott persönlich habe wissen wollen, wie es in der Kirche Gottes weitergehen werde. Drei Fragen durfte er stellen. Die erste: »Wird zu meinen Lebzeiten das Zölibatsgesetz abgeschafft?« Antwort von oben: »Nein.« Die zweite: »Wird zu meinen Lebzeiten die Frauenordination eingeführt?« Antwort: »Nein.« Die dritte: »Wird es noch einmal einen polnischen Papst geben?« Antwort Gottes: »Zu meinen Lebzeiten nein!« Noch nie habe ich einen Menschen so herzhaft und zugleich so andauernd lachen hören wie diesen afrikanischen Staatspräsidenten, sekundiert von seinem mitlachenden Pfarrer, dessen Bischof im Nachbardorf ich anschließend am Nachmittag besuche.
Längere Zeit unterhalten wir uns über das Verhältnis von Christen (ca. 45 Prozent) und Muslimen (ca. 25 Prozent, dazu 20 Prozent Animisten) im neuen Staat Tansania. Nyerere ist ein Muster von Toleranz und hat für seine Kinder auch eine Anheirat von Muslimen gestattet. Er gibt mir zu bedenken, dass Sansibar lange Zeit Residenzstadt des Sultans von Oman war und die halbautonome Inselregion noch immer eine muslimische Mehrheit besitzt. Das interessiert mich sehr, habe ich doch dasselbe gecharterte Flugzeug auch für den Halbstundenflug nach der Insel Sansibar benützt, um auch diesen Ausflug in meiner knappen Zeit unterzubringen. Dort abgeholt von einem kundigen, auf Restauration spezialisierten deutschen Architekten, sind wir durch die recht verwahrlost wirkende Altstadt mit ihren zahlreichen Moscheen gewandert, haben den am Boden ausgebreiteten, alle Düfte des Orients ausstrahlenden Markt besucht und an den massiven hohen Steinhäusern die reich geschnitzten Eingangstüren bewundert. Auch kann uns der Architekt ein mit deutscher Hilfe vollständig restauriertes Prachthaus von oben bis unten zeigen. Aber alles in allem: eine Insel, die mehr von der großen Vergangenheit als von einer erfolgreichen Gegenwart lebt. Auch den dortigen Bischof BERNARD NGAVILIAU besuche ich und werde wie immer sehr freundlich aufgenommen.
Noch am Tag des Fluges nach Dodoma muss ich von Daressalam weiterfliegen in Kenias Hauptstadt Nairobi . Dort, gut betreut vom Goethe-Institut, halte ich am 24. Februar 1986 einen Vortrag am Goethe-Institut und am 26. Februar an der Kenyatta University über »Wohin geht die Christenheit?«. Und schließlich am 27. Februar an der University of Nairobi über »Gibt es eine wahre Religion?«. Überall übervolle Säle, keine Opposition, viel Beifall. Der Leiter des Goethe-Instituts schreibt über meinen Besuch zusammenfassend: »Es war nahezu eine Sternstunde.« Ich empfinde dies ebenso.
Nachher aber konnten wir uns für zwei Tage in einem kenianischen Nationalpark in die Mara Serena Lodge im Schatten des Mount Kenya zurückziehen, um auszuruhen und die wild lebenden Tiere zu beobachten: ein Affe auf der Fensterbank, in der Ebene Löwen, Giraffen und Zebras in Scharen, am Fluss Nilpferde. Auch die eindrucksvollen kriegerischen Tänze der Massai konnten wir bewundern. Zur Abwechslung einmal ein Bild von Afrika, wie es in den Tourismusprospekten präsentiert wird.
Doch habe ich überall in Afrika viele unvergleichliche Naturerlebnisse in der vielfältigen Landschaft erfahren, stets hilfreich begleitet von liebenswürdigen schwarzen oder weißen Menschen, die ich hier gerne alle namentlich erwähnen würde, dabei aber an kein Ende käme. Ich denke etwa an die
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