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Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition)

Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition)

Titel: Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Küng
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moderner deutscher Literatur«) – zuerst die Religion des chinesischen Altertums, in der zweiten Vorlesung den konfuzianischen Humanismus, in der dritten den daoistischen Naturalismus und in der vierten den chinesischen Buddhismus. Ich behandle in meinen stets unmittelbar folgenden Korreferaten – chinesische und christliche Perspektive vergleichend – im ersten Teil nicht nur die Ahnenverehrung, sondern auch Opferpraktiken, Wahrsagung, Schamanentum, allgemeine Volksreligion. Im zweiten Korreferat geht es um die umstrittenen chinesischen Gottesnamen, den historischen Konfuzius und das Humanum als Grundnorm der Ethik. Im dritten um chinesische Heilkunst, das Dao, Yin und Yang und den Neokonfuzianismus. Im vierten schließlich um die sieben unterschiedlichen Modelle der Begegnung zwischen China und dem Christentum im Lauf der Geschichte: äußerliche Angleichung, synkretistische Vermischung oder komplementäre Ebenen; missionarische Konfrontation, kulturelle Überfremdung und antimissionarische Reaktion, schließlich – heute zu praktizieren – kontextuelle Inkulturation.
    Julias Referate, gefolgt von meinen Beiträgen, werden als weiterer Band der Vorlesung über »Christentum und Weltreligionen« dokumentiert in unserem gemeinsamen Buch »Christentum und chinesische Religion« (München 1988), das neben westlichen Übersetzungen drei chinesische Ausgaben erfährt (Hongkong 1989; Taipeh 1989; Peking 1990). In jenem Band findet sich auch mein Epilog über die »religiöse Doppelbürgerschaft« , der hervorging aus persönlichen Gesprächen mit Julia Ching, einer »konfuzianischen Christin«, getestet bei einer intensiven Tagung des Arbeitskreises des Instituts für Ökumenische Forschung vom 26.–28. Juni 1987: Wie bereits in Kap. VIII im Zusammenhang mit dem Buddhismus erwähnt, bejahe ich ohne Einschränkung eine kulturelle Doppelbürgerschaft, mit Einschränkungen auch eine ethische, nicht aber eine im strengen Sinn religiöse, im Glauben.
    Jeder, der sich in einen ernsthaften interkulturell-interreligiösen Dialog hineinwagt, kann erfahren, wie intensiv da die gegenseitige Information, wechselseitige Herausforderung und beiderseitige Transformation sein kann. Was sollten dafür die Leitlinien sein? Ich wiederhole es überall, wo ich hinkomme: keine falschen Exklusivismen, die den Dialog früher oder später abbrechen lassen. Aber auch keine unkritische Vermischung und oberflächliche Harmonisierung, welche die Unterschiede nicht ernst nimmt. Vielmehr sind gefordert eine gegenseitige kritische Erhellung, Anregung, Durchdringung und Bereicherung der verschiedenen kulturellen und religiösen Traditionen. Aber dies erwies sich in China als besonders schwierig.
    Zugleich Chinese und Christ: »der gelbe Papst«?
    Wie ein Chinese auch unter schwierigsten Umständen Christ sein kann, hat exemplarisch durch sein Leben und Wirken der katholische Bischof von Schanghai, ALOYSIUS JIN LUXIAN , gezeigt, den ich 1987 besuche und als einen Freund betrachten darf. Er hat alle Leiden durchgemacht, die ein Christ in Maos China durchmachen kann. Er stammt aus einer Familie, die seit zehn Generationen katholisch ist, verliert aber sehr früh Vater und Mutter und tritt 1938 mit 22 Jahren in den Jesuitenorden ein. Er zeigt von vornherein großes Interesse, christliche Theologie mit chinesischer Philosophie zu verbinden. Er studiert in Köln und Innsbruck; neben Englisch und Französisch lernt er fließend Deutsch. Aber in China tobt der Bürgerkrieg zwischen Nationalisten und Kommunisten, der mit dem Sieg der Kommunisten endet. Am 21. September 1949 Proklamation der Volksrepublik China durch Mao Zedong. Noch stehen mehr als 80 Prozent der chinesischen Katholiken unter der Leitung von europäischen Bischöfen, die sich allesamt antikommunistisch orientiert auf die Seite von Chiang Kai-sheks Partei geschlagen haben.
    1950 – ich studiere schon das zweite Jahr Philosophie an der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom – wird an derselben Universität Jin Luxian zum Doktor der Theologie promoviert. Und wie es mir damals darum ging, nach meinen Studien in die Heimat als Seelsorger zurückzukehren, so wollte Aloysius Jin Luxian unbedingt nach China zurück, obwohl ihm angesichts der wachsenden Religionsfeindschaft des kommunistischen Regimes die Verhaftung droht.
    Die Jahre von 1955 bis 1973 verbringt Jin in Gefängnissen oder Umerziehungslagern. Aber seine Überzeugung festigt sich, dass es völlig aussichtslos sei, der

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