Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition)
Besuch in Irland wie später in Großbritannien – bei allen Effekten seiner Charme-Initiative – eine ökumenische Chance von historischem Ausmaß verpasst: Ökumenische und kirchenpolitische Impulse bleiben aus; dafür erfolgen Ermahnungen im Stil einer multimedialen, aber doch antiquierten »Volksmission« zur »inneren Erneuerung« und Pflege des römisch-katholischen Sondergutes, wie etwa Marienwallfahrtsorte, Rosenkranz, »Kindersegen«, und rigorose Morallehren. Nach dem Papstbesuch wird das Abtreibungsverbot in Irland durch eine Volksabstimmung sogar in den Rang einer Verfassungsklausel erhoben. Trotz aller bischöflichen Aufrufe war jedoch die Hälfte der Abstimmungsberechtigten zu Hause geblieben.
Nicht einmal für die in Irland besonders stark empfundene Not der Mischehen – von der der Geschiedenen ganz zu schweigen – hat der »Stellvertreter Christi« ein helfendes christliches Wort, wiewohl er bei einem ökumenischen Treffen in Dublin die »besondere Dringlichkeit der Versöhnung der Christen untereinander« feierlich beschwört. Dabei ist Irland auch noch nach dem Konzil eine der wenigen Regionen in der katholischen Kirche, in der protestantische Ehepartner nur widerwillig akzeptiert werden und ein formelles Versprechen hinsichtlich der katholischen Kindererziehung abzugeben haben. Trauung von Katholiken in einer protestantischen Kirche ist nach wie vor unerwünscht. Konkrete päpstliche Weisungen zur ökumenischen Verständigung hätten in Irland (wie anderswo) sicher großes Echo gefunden.
Im Nachgang zu meiner Vortragsreise schreibt mein Theologenkollege SEÁN FREYNE : »Im Rückblick war vielleicht der bedeutsamere Aspekt von Hans Küngs Besuch nicht sein persönliches Glaubenszeugnis, so eindrucksvoll es auch ist, sondern eher die politischen Implikationen seiner Rede. Dies vor allem jetzt, im Licht des britisch-irischen Übereinkommens, das neue und schwierige Herausforderungen an alle irischen Kirchen stellt.« Die vielfach enthusiastische Zustimmung sowohl von Katholiken wie Protestanten zu meinen kritischen Ausführungen zeigt mir in der Tat, wie groß die Sehnsucht der Menschen auf der »grünen Insel« nach Frieden und Versöhnung ist. Und ich weiß auch, dass viele Menschen bereit wären, sich noch aktiver für die Versöhnung einzusetzen, wenn sowohl die Instanzen des Staates wie die Autoritäten der Kirchen den Mut hätten, entschieden voranzugehen.
Die katholischen Bischöfe Irlands haben diesen Mut nicht. Sie glänzen bei meinen Vorträgen konstant durch Abwesenheit. Der katholische Bischof von Belfast, CAHAL DALY, und der von Cork, MICHAEL MURPHY, sowie der Erzbischof von Dublin, KEVIN MCNAMARA , hatten mit Bezug auf meine Kritik am Unfehlbarkeitsdogma von vornherein erklärt, dass sie zu meinem Vortrag nicht kommen würden. Letzterer hatte in einem von ihm 1982 veröffentlichten Buch über »The Hans Küng Debate« schon im Hinblick auf das Unfehlbarkeitsdogma geschrieben: »Küng’s sad betrayal of the traditional catholic teaching« – »Küngs trauriger Verrat an der traditionellen katholischen Lehre«.
So macht man sich in Rom beliebt: Im gut informierten »Inside-Report« der »Irish Press« vom 17. April 1985 wird nach einer Johannes Paul II. nahestehenden Quelle berichtet, dass, wann immer der Name Hans Küng in einem Gespräch genannt wurde, die Konversation gestockt habe und daher die Personen im päpstlichen Umfeld im Vatikan absichtlich den Namen Küng nicht nennen. Doch sei dieser Theologe trotz allem beständig im Licht der Öffentlichkeit: »Not an easy man to silence«. Insofern ist es mir wichtig, dass ich im Trinity College nicht nur ein Seminar für das Department of Religious Studies leite, zusammen mit dem Neutestamentler SEÁN FREYNE , früher als Humboldt-Stipendiat in Tübingen. Ich stehe in der Trinity Chapel im priesterlichen Gewand einer katholischen Eucharistiefeier mit Predigt vor.
Mut aber zeigt der schon genannte Dr. GARRET FITZGERALD , Sohn eines irischen Außenministers und selber erfolgreicher Außenminister, jetzt Premierminister (»Taoiseach«, 1982 – 87), ein geistvoller, neugieriger, rasch argumentierender Intellektueller und energisch handelnder Staatsmann, der mich im Rahmen meines Besuchs 1985 zu einem Gespräch in seine Privatresidenz einlädt. Garret ist ein Katholik im Geist des Vatikanums II mit ökumenischer Gesinnung, der sich mehr als manche seiner Vorgänger um Versöhnung bemüht. Er ist fest davon überzeugt,
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