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Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition)

Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition)

Titel: Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Küng
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die Bischöfe, besonders in Bezug auf die Frauenfrage in der Kirche, und bestimmte Kommentare über die möglichen Auswirkungen in der Zukunft erweisen sich – leider – als prophetisch: »Küngs Anwesenheit in Irland ist eine rechtzeitige Warnung (»reminder«), dass, wenn es nicht sehr bald zu Veränderungen kommt, die Konsequenzen für den Katholizismus nicht zuletzt in diesem Land sehr ernsthaft sein können« (»The Irish Press«, 17. April 1985). Auch dieser Vortrag erscheint in Buchform: »Church and Change. The Irish Experience« (Gill and Macmillan, Dublin 1986).
    Neben Premierminister FitzGerald beeindruckt mich als repräsentative Figur der nachkonziliaren katholischen Kirche in Irland am meisten MARY ROBINSON . Mit 25 Jahren war sie bereits Professorin für Verfassungs- und Strafrecht am Trinity College, dann Abgeordnete der Labour Party und von 1990 bis 1997 – in einem Land, in dem Frauen in der Kirche nach wie vor nichts zu entscheiden haben – erste Staatspräsidentin der Republik Irland . Anlässlich eines weiteren Besuches in Irland empfängt mich am 8. Juli 1995 diese elegante und sympathische Dame in ihrem Palais, das wunderschön in der Natur gelegen, aber, wie sie selber bemerkt, etwas weit weg vom Getriebe der Menschen ist. Wir diskutieren einvernehmlich die Lage der katholischen Kirche im Zusammenhang mit der irischen Gesellschaft, die negative Einstellung der Bischöfe und loben beide den reformgesinnten Theologen ENDA MCDONAGH . Nach ihrer Amtszeit wird Mary Robinson Hochkommissarin für Menschenrechte der Vereinten Nationen in Genf. Als solche nimmt sie dann im Jahr 2002 meine Einladung als zweite Weltethos-Rednerin nach Tübingen an.
    Aber niemand ahnt 1995, welch katastrophale Ausmaße wenige Jahre später die Krise um die sexuellen Missbrauchsfälle katholischer Kleriker gerade in Irland haben würde, wie das aus den offiziellen Untersuchungen des Ryan-Reports (2009) und des Cloyne-Reports (2011) hervorgeht, und wie systematisch die Vertuschung der Bischöfe praktiziert wird, noch verstärkt von einem feierlichen Schreiben Kardinal Ratzingers an alle Bischöfe über die »schweren Vergehen« vom 18. Mai 2001. Die Beunruhigung in der Bevölkerung wird jetzt so groß, dass auch die Regierung Stellung nehmen muss. Und etwas bisher in Irland Unerhörtes geschieht: Am 20. Juli 2011 kritisiert der irische Premierminister ENDA KENNY den Vatikan heftig öffentlich im Parlament. Kenny klagt den Vatikan an, eine »calculated, withering position«, eine »kalkulierte vernichtende Position« zum Sexualmissbrauch einzunehmen, und der Heilige Stuhl sei »entirely unhelpful«, »absolut keine Hilfe«, gewesen für die irischen Bischöfe beim Versuch, mit dem Missbrauch fertigzuwerden. Der Premier erklärt zum Cloyne-Report: »Er zeigt einen Versuch des Heiligen Stuhls, der erst drei Jahre her ist, eine Untersuchung in einer souveränen, demokratischen Republik zu vereiteln. Damit bringt der Cloyne-Report die Dysfunktion und Abgehobenheit, den Elitismus und Narzissmus ans Licht, welche die Kultur des Vatikan bis zum heutigen Tag beherrschen … Vergewaltigung und Folter von Kindern wurden heruntergespielt oder ›geregelt‹, um stattdessen den Primat der Institution, ihre Macht, ihren Status und ihren ›Ruf‹ aufrechtzuerhalten.«
    Nie hatte ein katholischer Regierungschef, und erst recht kein irischer, solche Worte gegenüber dem Heiligen Stuhl gebraucht. Unter den irischen Bischöfen wagt einzig der neue Erzbischof von Dublin, Dr.  DIARMUID MARTIN , zu sagen, er sei beeindruckt von der Emotion der Kenny-Rede. Als früherer Vertreter des Heiligen Stuhls bei der UNO in Genf diplomatisch versiert, drängt er den Vatikan, auf den Cloyne-Report sachgemäß zu antworten. Aber im Vatikan merkt man noch immer nicht, welche Stunde für die Kirche geschlagen hat. So schwelt denn der Konflikt bis auf den heutigen Tag. Weder im Vatikan noch in der irischen Hierarchie weiß man einen Ausweg aus der Krise.
    Mit Irland bleibe ich weiter in Verbindung. Vom 24. bis 27.   August 1989 mache ich mit dem vielfach ausgezeichneten österreichischen Dokumentarfilmer JOS ROSENTHAL und einem Fernsehteam des ORF eine faszinierende Reise zu einigen der historischen Stätten an der Westküste Irlands wie die spätgotische Moyne Abbey und das Achill Island in der Grafschaft Mayo und gebe dort Statements zur Thematik: »Ist Friede möglich?«. Landschaft und Ruinen von Kirchen und Friedhöfe wirken bei stark

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