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Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition)

Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition)

Titel: Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Küng
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und machte sich durch die Publikation zahlreicher Bücher bekannt. 2002 aber erhält er ein weltweites Lehrverbot für alle katholisch-theologischen Fakultäten. Das Fass zum Überlaufen hatte vermutlich ein kritischer Artikel über Ratzinger, den damaligen Chef der Glaubenskongregation, gebracht, mit dem Titel »Josef [Imbach] versus Joseph [Ratzinger]«. Ich werde später noch auf Imbach zu sprechen kommen.
    Doch ich kann ja nicht übersehen: Immer mehr kreative Geister, aber auch einfache Leute fragen sich, ob man angesichts all der Gegenentwicklungen zu den großen Intentionen des Zweiten Vatikanischen Konzils nicht besser aus dieser offensichtlich reformunfähigen Kirche austreten solle. Unsere »Kirchenfürsten« geben zu solchen Gedanken immer wieder neuen Anlass. Doch ich bleibe in der katholischen Kirchengemeinschaft verwurzelt, hierarchiekritisch und ohne meine frühere Kritik an den Festlegungen von 1870 zurückzunehmen, doch mit uneingeschränkter ökumenischer Offenheit. Ich denke nach wie vor nicht daran, die Kirche Jesu Christi mit der Hierarchie oder gar mit dem Vatikan zu verwechseln, der da so wenig segensreich in die Geschicke unserer Katholisch-Theologischen Fakultät eingegriffen hat.
    »Dem Ketzer folgt der Katzenjammer«
    So betitelt die »Süddeutsche Zeitung« vom 7./8. November 1981 – fast zwei Jahre nach meinem Missioentzug – einen Beitrag ihres Tübinger Redaktionsmitglieds WULF REIMER über »die schwierige Suche nach einem Nachfolger von Hans Küng«. Vonseiten der Kirche war Druck auf die Regierung in Stuttgart ausgeübt worden, dass man nach meinem Auszug aus der Katholisch-Theologischen Fakultät samt Lehrstuhl und Institut dort einen Ersatz-Lehrstuhl einzurichten habe. Dies schien vielen rechtlich keineswegs geboten, denn seit der Gründung der Fakultät hatte es immer nur einen einzigen Lehrstuhl für Dogmatik gegeben, bis für mich 1963 wegen drohender Wegberufung nach Münster auch in Tübingen ein zweiter Lehrstuhl für Dogmatik geschaffen wurde. Aber die Regierung gibt nach und sagt einen neuen Lehrstuhl zu.
    Die Fakultät erstellt nun eine Berufungsliste, auf deren erstem Platz der Freiburger Dogmatikprofessor KARL LEHMANN steht, einstimmig erkoren. Gerüchte machen die Runde: Bischof Moser wünsche Lehmann, Mitglied der Glaubenskommission, als »orthodoxes Bollwerk« gegen Küng, was vom Bischof natürlich prompt dementiert wird. Kultusminister Engler will die Berufung wegen der delikaten Diskussion selber einleiten und führt ein erstes Gespräch mit Lehmann. In Tübingen macht man sich bereits Gedanken, wie man unsere Institutsbibliothek aufteilen und Lehmann ein aussichtsreiches Angebot an Räumen und Bibliotheksetat meines Instituts machen könnte. Aber das war die Rechnung ohne den Wirt gemacht, was Karl Lehmann anlässlich eines Besuchs in Tübingen sehr rasch erkennt.
    Ich hatte Karl Lehmann als Doktoranden im Collegium Germanicum während des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962   –   65) kennen und dann als Assistent von Karl Rahner und bei der Zeitschrift »Concilium« schätzen gelernt. Er ist ein wohlinformierter und kommunikativer Theologe ohne Berührungsängste. Ich rechne es ihm hoch an, dass er mich anlässlich seines Tübinger Besuchs aufsucht und wir die Lage freundschaftlich besprechen können. Ich muss ihm klarmachen, was ich schon vorher der Fakultät erklärt hatte: dass ich die ungeschmälerte Position meines Instituts für Ökumenische Forschung – mir vertraglich durch die Erhaltungszusage vom Stuttgarter Ministerium zugesichert – mit Zähnen und Klauen verteidigen würde. An eine Aufteilung der Räume und der Bibliothek sei nicht zu denken.
    Karl Lehmann ist klug genug, daraufhin seine Tübinger Pläne aufzugeben. Jetzt noch mit dem Universitätspräsidenten zu verhandeln erscheint ihm zu Recht als überflüssig, was man ihm in Tübingen übel nimmt. Aber es war ja ohnehin nicht gerade ehrenvoll, diesen zweiten Lehrstuhl für Dogmatik mit der Hypothek des Falles Küng zu übernehmen. Früher nannte man das eine »Strafprofessur«.
    So lässt denn Professor Lehmann Stuttgart und Tübingen über die Katholische Nachrichten-Agentur kurz und bündig Bescheid geben: »Ich kann dem Ruf nicht Folge leisten, weil er mir im Hinblick auf Mitarbeiter und Sachmittel – von fehlenden Räumen ganz abgesehen – auf der ganzen Linie knapp die Hälfte dessen anbietet, was mir für meine Tätigkeit an der Universität Freiburg seit zehn Jahren zur

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