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Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition)

Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition)

Titel: Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Küng
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›Ungeschriebenen‹, gesetzlich gerade nicht Vorschreibbaren: an der inneren Einstellung, der sittlichen Grundhaltung?« Wir sind uns rasch einig: Es fehlt am »Ethos«, ohne welches die geschriebenen Regeln umgangen, ignoriert oder unterminiert werden.
    Es kommt in der Folge dieses Vortrags zu einem intensiven Gedankenaustausch zwischen uns, in den ich von Anfang an auch meinen Kollegen KARL-JOSEF KUSCHEL , einen begeisterten Fußballfan, einbeziehe. Ich freue mich darüber, dass Dr. Sengle bereit ist, mit den obersten Repräsentanten des DFB darüber zu sprechen, wie sich eine Zusammenarbeit zwischen unserer Stiftung Weltethos und dem DFB gestalten könnte. Das Resultat der Überlegungen auf beiden Seiten ist schließlich: Am 27. Mai 2005 findet im Rahmen des Deutschen Evangelischen Kirchentags in Hannover ein groß angelegtes Forum »Welt-Sport-Ethos« mit über 2000 Teilnehmern statt. Ich halte dazu den einführenden Vortrag über Weltsport und Weltethos, und mein Kollege Kuschel bestreitet die anschließende Diskussion mit dem DFB-Präsidenten Dr.  THEO ZWANZIGER , dem kommenden Bundestrainer JOACHIM LÖW , einem Nationalspieler, einem Schiedsrichter und anderen Fachleuten.
    In meinem Grundsatzreferat gehe ich aus von der in diesem Ausmaß noch nie da gewesenen Kriminalität im Sport: Doping großen Stils bei Spitzen-Leichtathleten und bei ganzen Radsportmannschaften, aber auch Wett- und Manipulationsskandale im Fußball, was nicht nur die Spieler, sondern auch die Funktionäre und sogar die bisher moralisch unanfechtbaren Schiedsrichter in ein schiefes Licht stellt. Dabei sollte doch gerade der Breitensport Fußball die schönste, eindrücklichste Manifestation von Fairness sein – ein englisches Wort, das in die allgemeine Sportsprache übernommen wurde. »Fair play«: ein den Spielregeln entsprechendes anständiges und kameradschaftliches Verhalten!
    Doch ist ein solches »sportliches« Verhalten alles andere als selbstverständlich. Und nur Regeln, Vorschriften und Gesetze, von Sport- und Staatsorganen erlassen und sanktioniert, reichen dafür offensichtlich nicht aus. Alle Regeln nützen nichts, wenn Menschen sich nicht innerlich auf sie verpflichtet fühlen. Regeln wollen auch im Fußball nicht nur gekannt, sondern innerlich bejaht und auf dem Spielfeld wie auf den Tribünen gelebt werden. Deshalb spricht man ja auch vom »Geist« des Sports und meint damit die Bereitschaft zum Fair Play , zur Chancengleichheit, zur Wahrhaftigkeit … Kurz, alles das, was mit Ethos gemeint ist: nicht ein ethisches System, nicht eine Doktrin, sondern eine Selbstverpflichtung des Menschen auf einige verbindliche Werte, unverrückbare Maßstäbe und persönliche Grundhaltungen.
    Nun hat der Sport gewiss seine eigenen Regeln, aber er braucht keine Sonderethik, sondern Sportler brauchen sich nur an die allgemeinen ethischen Grundsätze zu halten. Wir haben ja gesehen, dass es tatsächlich globale ethische Regeln gibt, die für Europa und Amerika ebenso gelten wie für Japan, China, Indien oder Afrika. Dies ist wichtig für eine Zeit, die eine noch nie da gewesene Globalisierung des Sports erfahren hat, sodass heute auch die kleinsten Nationen der Erde zumindest über eine Fußball-Nationalmannschaft verfügen wollen.
    Auf dem Forum »Welt-Sport-Ethos« in Hannover mache ich folglich deutlich: Der globale Sport braucht ein globales Ethos ! Der Weltsport braucht ein Weltethos , das aus einigen wenigen, seit Jahrtausenden geltenden elementaren ethischen Regeln besteht, ohne die eine Gesellschaft, ein Staat, ein Unternehmen, eine Schulklasse und eben auch ein Fußballspiel nicht fair funktionieren kann: nicht töten, lügen, stehlen, Sexualität missbrauchen. Ist das vielleicht zu allgemein?
    Ich konkretisiere die in der »Erklärung zum Weltethos« (1993) ausführlich in die Gegenwart übersetzten vier unverrückbaren Weisungen für den Sport: Nachdem der DFB zwei kurze Filme über Fairness und Unfairness auf dem Fußballplatz und neben dem Platz unter den Fans präsentiert hat, mache ich dies deutlich anhand der Weisung »Ehrfurcht vor dem Leben«: »Wir alle, die wir den Sport lieben, erschrecken immer wieder über das Ausmaß an Gewalt , das der Sport freisetzen oder auf sich ziehen kann. Auf dem Spielfeld wird der Gegner oft genug zum Feind, den es mit allen Mitteln zu bekämpfen gilt. Einsatz von Gewalt verletzt oft die körperliche Integrität des Mitspielers. Sportliche Großveranstaltungen ziehen gewaltbereite

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