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Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition)

Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition)

Titel: Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Küng
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als Glaubenszeugnis also vom großen Wohin des Universums und des Menschenlebens. Es ist ein Glaube, der zu unterscheiden weiß zwischen der Wiederbelebung eines Leichnams und dem Eingehen aus dem Tod in ein echtes Jenseits von Raum und Zeit, in eine Sphäre, für die nach Immanuel Kant nicht mehr die reine Vernunft, sondern der Glaube zuständig ist.
    Also kein irrationaler Glaube, kein »credo quia absurdum«. Aber auch kein Glaube, der mit Argumenten zum Gehorsam zwingen will. Vielmehr ein Glaube, der mit guten Gründen einladen will. Also ein im Gottesglauben vertieftes, verankertes Lebensvertrauen, das zwar keine unbezweifelbare Sicherheit verschafft, wohl aber eine ruhige Gewissheit schenkt.
    Und wenn ich auf den persönlichen Anfang dieser Rede zurückkommen darf: Über einen solchen Glauben habe ich ein Leben lang nachgedacht, geschrieben und dabei auch gegen den Entfremdungsprozess so vieler Menschen vom christlichen Glauben angekämpft. 84 Jahre habe ich so, einigermaßen honorig, hinter mich gebracht, sodass ich jetzt aus der Bibel den paulinischen Brief an Timotheus (2 Tim 4,6   –   8) zu zitieren wage: »Die Zeit meines Abschieds steht bevor: Ich habe den guten Kampf gekämpft, den Lauf vollendet, den Glauben bewahrt.«
    Den Glauben bewahrt? Es ist für mich ganz und gar nicht selbstverständlich, den Glauben durch Jahrzehnte eines zwar nie langweiligen, doch oft mühevollen und konfliktreichen Lebens bewahrt zu haben. Und wahrhaftig, ohne die Musik, die ich fast täglich höre, hätte ich das wohl kaum so geschafft. Ich kann Ihnen, liebe Musikfreunde, nichts Besseres wünschen, als dass die Musik, ihre ganze emotionale Macht, ihre unvergleichliche Ausdruckskraft, ihre sinnlich-geistige Schönheit auch Ihnen helfen möge, unverdrossen Ihren Lebensweg zu gehen. Vielleicht mag Ihnen die Musik sogar etwas ahnendes Wissen schenken um eine ganz andere Wirklichkeit, in der Sphäre des Geistes, in der Dimension Unendlich, in der überzeitlichen Ewigkeit.
    Mozarts Musik ist dafür zweifellos besonders geeignet – auch wenn die Requiem-Messe vielleicht einigen nicht gerade prädestiniert erscheint als Eröffnungswerk eines festlichen Musiksommers. »Opus summum viri summi«: »Das höchste Werk eines sehr großen Mannes«, hat der Leipziger Thomaskantor JOHANN ADAM HILLER über seine Abschrift des Requiems geschrieben, die er bereits 1792, ein Jahr nach Mozarts unerwartetem Tod, abgefasst hat. Ob NIKOLAUS HARNONCOURT recht hat, wenn er das Requiem als Mozarts einziges Werk mit autobiographischem Bezug bezeichnet, weiß ich nicht. Aber sicher ist, dass Mozarts musikalische Gestaltung seiner Glaubenshaltung entspricht, ja sie ausdrückt.
    Mozart war seit einigen Jahren ernster geworden und hat seine Einstellung zum Tod schon anlässlich des Todesfalls seines gleichaltrigen »liebsten besten Freundes Graf Hatzfeld« auch seinem Vater geoffenbart. Und nun schreibt er am 4.   April 1787 aus Wien seinem schwer kranken Vater in Salzburg – das sind nur rund drei Jahre vor dem Beginn der Requiemkomposition: »Da der Tod – genau zu nehmen – der wahre Endzweck unseres Lebens ist, so habe ich mich seit ein paar Jahren mit diesem wahren, besten Freunde des Menschen so bekannt gemacht, daß sein Bild nicht allein nichts Schreckendes mehr für mich hat, sondern recht viel Beruhigendes und Tröstendes! Und ich danke meinem Gott, daß er mir das Glück gegönnt hat, mir die Gelegenheit – Sie verstehen mich – zu verschaffen, ihn als den  Schlüssel zu unserer wahren Glückseligkeit kennen zu lernen.«
    Und er fügt hinzu: »Ich lege mich nie zu Bette ohne zu bedenken, daß ich vielleicht, so jung als ich bin, den andern Tag nicht mehr sein werde – und es wird doch kein Mensch von allen, die mich kennen, sagen können, daß ich im Umgange mürrisch oder traurig wäre. Und für diese Glückseligkeit danke ich alle Tage meinem Schöpfer und wünsche sie von Herzen jedem meiner Mitmenschen.«
    So ist denn Mozarts Requiem alles andere als eine trostlose Trauermusik. Im ersten Satz wird die entscheidende Botschaft verkündet: Zuerst ein paar Takte des Orchesters und dann des Chores mit dem Vers »Requiem aeternam dona eis, Domine« – »Die ewige Ruhe schenke ihnen, Herr« –, alles komponiert im dunklen schwermütigen d-Moll. Doch plötzlich die Wende in ein strahlendes F-Dur: Mit einem machtvollen monofonen Tutti, zuerst fortissimo, dann pianissimo, die Verheißung des Lebens, eines ewigen Lebens: »Lux

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