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Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition)

Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition)

Titel: Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Küng
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akademische »Entmachtung« nicht erreicht. Dass aber Papst Wojtyła den Appell der Herausgeber der Dokumentation hören, eine Kommission von Bischöfen und Theologen einsetzen und das mir offensichtlich angetane Unrecht wiedergutmachen würde, halte ich für unwahrscheinlich. Und bald wird deutlich: Dieser Papst, der auf großen kostspieligen Reisen überall Friede, Gerechtigkeit und Menschenrechte verkündigt, mir aber seit seinem Amtsantritt jegliches rechtliche Gehör verweigert, wird auch in Zukunft dieselbe Einstellung praktizieren.
    Allerdings fühlt man sich nach Erscheinen der Dokumentation in Rom in der Defensive – vor allem angesichts des kommenden Besuchs des Papstes in Deutschland. Deshalb schickt der Papst schon am 22. Mai 1980 – einen Tag vor meiner Rückkehr aus Kreta – ein ausführliches Schreiben nach Deutschland. Nein, nicht an mich, auch nicht an die Herausgeber der Dokumentation, sondern an meinen Hauptgegner, »Theseus I.«, den Kölner Kardinal JOSEPH HÖFFNER , und an die Deutsche Bischofskonferenz. Ein zweifellos bis ins Detail abgesprochener (vielleicht sogar in Deutschland entworfener) Brief. Er zeigt weder in der Sache noch bezüglich der Revision des Verfahrens Entgegenkommen, sondern versucht – raffiniert oder plump, wie man will – die noch immer nicht überzeugte breitere Öffentlichkeit von der Berechtigung der Inquisitionsmaßnahmen gegen mich zu überzeugen. Der Ton salbungsvoll: des Papstes Brief sei »von der Liebe zu diesem unserem Bruder bestimmt« (ich hatte bisher kaum etwas von dieser Brüderlichkeit und Liebe gemerkt). Er bitte Gott um eine »Begegnung in der Wahrheit« (natürlich wie sie der Papst versteht) »besonders mit jenem Menschen, unserem Bruder, der als katholischer Theologe, der er sein und bleiben möchte, eine besondere Verantwortung für die von der Kirche bezeugte und verkündete Wahrheit mit uns teilen muss«. Ich frage mich nur: Warum bittet der Papst »Gott« und führt diese Begegnung mit mir, seinem »Bruder«, nicht selber herbei?
    Doch immerhin – dieser Brief ist ein »Zeichen« des Papstes in meinem Fall. Ignorieren konnte er mich (will sagen: die durch mich vertretene Sache) offenbar nicht. Ich entschließe mich zu einem Zeichen meinerseits: zu dem bereits als Motto zu diesem Kapitel zitierten handgeschriebenen Brief aus meiner Schweizer Heimat vom 25. August 1980. Ich danke dem Papst für seine Worte: »Auch in den vergangenen, für mich sehr schwierigen Monaten habe ich diese besondere Verantwortung stets voll und ganz bejaht. Und allein diese Verantwortung ist es, die meine theologische Arbeit bestimmt und auch für die Zukunft bestimmen soll.« Es habe mich auch außerordentlich bedrückt zu erfahren, »wie sehr durch diesen Konflikt die Spannungen in unserer Kirche zugenommen haben, die ökumenische Verständigung mit den anderen Kirchen belastet wird, das Verhältnis zwischen Theologie und Lehramt sich verschlechtert hat und so in Kirche und Christenheit schwerer Schaden entstanden ist, den sicher keine Seite gewollt hat. Schon aus diesem Grund ist mir an einer Verständigung und Versöhnung gelegen.«
    Und da der Papstbrief an die Deutsche Bischofskonferenz »in der Öffentlichkeit als eine Geste der Verständigungsbereitschaft und ein Schritt des Entgegenkommens verstanden worden ist, der zu einem persönlichen Gespräch in brüderlichem Geist führen könne«, würde ich um ein solches Gespräch bitten, wann und wo immer er es wünsche: »Auch wenn eine solche persönliche Begegnung gewiss nicht auf Anhieb alle die von vielen Menschen als bedrückend empfundenen Probleme zu lösen vermag, dürfte es doch Ausdruck der echten Dialogbereitschaft sein. Es würde bestimmt dem gegenseitigen Verstehen und der ›Begegnung in der Wahrheit‹ [dienen], wie sie vom Evangelium selber gefordert und so von der Kirche zu bezeugen und zu verkünden ist.« Und da der Papst so nachdrücklich von der Liebe besonders zu »jenem Menschen, unserem Bruder« redet, mein Appell: »Ein solches Gespräch könnte zugleich zeigen, dass selbst bei ernsten Auseinandersetzungen in unserer Kirche die Liebe Christi Richtmaß bleibt und von daher unnötige Polarisierungen abgebaut werden können.« Der Brief endet mit den Worten: »Für Ihre so wichtige Hirtenaufgabe im Dienst an unserer katholischen Kirche und an der gesamten Christenheit wünsche ich Ihnen von Herzen Gottes Segen.«
    Aber auch diesbezüglich mache ich mir keine Illusionen: Wie vermutet will

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