Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition)
der Papst aus Polen, dem ich in meinem persönlichen Schreiben sogar meine private Telefonnummer in der Schweiz angegeben habe, gar nicht ernsthaft ein Gespräch, und seine schönen Worte waren weniger für »einen Menschen«, seinen »Bruder«, als für die breite Öffentlichkeit bestimmt. So erweist sich denn dieser Papstbrief an den deutschen Episkopat als das, was ich von vornherein vermutet hatte: ein typischer Fall von kurialem »Windowdressing«, auf Deutsch »Schaufensterdekoration«, beziehungsweise »Schönfärberei« zur Beruhigung des deutschen Kirchenvolkes vor dem Papstbesuch, der als große Jubelveranstaltung geplant ist.
Daher bin ich dankbar, dass mich schon zwei Tage nach dem Papstschreiben an die Bischofskonferenz, am 24. Mai, Professor LEONARD SWIDLER , seit meiner ersten US-Vortragsreise 1963 ein Freund, in Tübingen aufsucht, zusammen mit dem jüdischen Gelehrten Professor ZALMAN SCHACHTER (ebenfalls Temple University Philadelphia), der einen Vortrag hält über »Das jüdisch-christliche Gespräch. Der Beitrag eines Kabbalisten«. Wir verbinden damit einen Besuch der berühmten kabbalistischen Lehrtafel in der evangelischen Kirche von Bad Teinach bei Calw.
Leonard Swidler übernimmt mit seiner sprachkundigen Frau Arlene und einem Team die Aufgabe, für den englischsprachigen Raum eine schließlich 627 Seiten zählende Dokumentation herauszugeben, die der große New Yorker Verlag Doubleday, der meine Bücher »Christ sein« und »Existiert Gott?« publiziert hatte, 1981 in die Öffentlichkeit bringt unter dem Titel: »Küng in Conflict« . Diese umfasst nicht nur die von Herbert Haag und Norbert Greinacher, sondern auch die von Walter Jens 1978 veröffentlichte Dokumentation »Um nichts als die Wahrheit. Deutsche Bischofskonferenz contra Hans Küng«. Ein, wie es auf der Umschlagseite heißt, »historischer Insider-Bericht über die 12-jährige Schlacht mit der Kirchenhierarchie, die weltweite Auswirkung hatte«. Eine riesige Übersetzungs- und Editionsarbeit, für die ich Len Swidler und seiner Frau bis heute dankbar bin. Doch – ich erhalte auch von ganz anderer Seite Unterstützung.
Ein Helfer in der Not: Karl Klasen
Oft habe ich das alte deutsche Sprichwort zitiert: »Freunde in der Not gehen Tausend auf ein Lot«: Freunde in der Not sind extrem rar! Jedenfalls habe ich in den vergangenen Auseinandersetzungen im römisch-katholischen Establishment viele Freunde verloren, nicht an der katholischen Basis, aber natürlich unter Kardinälen und Bischöfen, auch unter katholischen Theologen, die mich in Zukunft kaum noch zu zitieren wagen, ja selbst bei manchen evangelischen Kollegen, die sich stillschweigend anpassen und um meinen Namen samt Œuvre einen weiten Bogen machen.
Aber ich habe auch viele Freunde behalten und neue Freunde dazugewonnen. Universitätspräsident ADOLF THEIS hat recht bekommen mit seiner Warnung an meine Gegner in der Katholisch-Theologischen Fakultät vor der entscheidenden Abstimmung: Wenn ihr Kollege auszöge, genösse er dennoch so viel Respekt, dass es ihm auch außerhalb seiner Fakultät an mächtiger Unterstützung nicht mangeln würde. Ein Bluff, dachte ich in diesem Moment höchst skeptisch, wer soll denn in solcher Not schon helfen können – und wollen?
Aber schon mit dem Datum vom 30. April 1980 erhalte ich einen persönlich gehaltenen Brief von einem hoch angesehenen Mann der Bundesrepublik, den ich bisher nur aus den Medien kenne: Dr. KARL KLASEN ,1970 – 77 Präsident der Deutschen Bundesbank. Mein Buch »Existiert Gott?«, schreibt er, sei für seine Frau und ihn »ein ganz großer Gewinn« gewesen: »Wenige Bücher haben uns soviel gegeben wie dieses hervorragende Werk. Kaum jemand wird Ihre Ausführungen so gründlich gelesen haben wie ich, denn ich habe sie vorgelesen. Das mussten wir selbstverständlich über einen längeren Zeitraum erstrecken, aber es hat unsere Freude keineswegs beeinträchtigt.«
Hier zeigt sich wieder einmal, was ein einziges Buch bewirken kann. Und wie sehr sie unrecht hatten, jene Medienmanipulatoren, die vor der bischöflichen Nacht- und Nebelaktion des 18. Dezember 1979 »Küng mit eigenen Waffen schlagen« wollten und damit nicht Bücher, sondern einseitige Vorinformationen an die Presse meinten, um so die Öffentlichkeit für sich einzunehmen (Bd. 2, Kap. XI: Die Generalattacke: betrübliche Komplizenschaft). Nein, meine »Waffen«, wenn man schon so militärisch reden will, sind meine Bücher
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