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Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition)

Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition)

Titel: Erlebte Menschlichkeit: Erinnerungen (Küngs Memoiren) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Küng
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Würde und die Integration der Frauengeschichte in die Geschichte selbst. Schon längst vor dem Tübinger Symposion über das neue Paradigma von Theologie hatte ich eine Initiative in diese Richtung eingeleitet.
    Pilotprojekt II: Frau und Christentum
    Ich sehe die beiden Damen noch vor mir sitzen, und ihr Wunsch ist bescheiden: Dr.  ELISABETH MOLTMANN-WENDEL , Theologin, Autorin, Ehefrau des bekannten Theologen Jürgen Moltmann und Mutter von vier Kindern, die aber jetzt die Zeit für einen Wiedereinstieg in die theologische Wissenschaft als gekommen ansieht, und BERNADETTE BROOTEN, B. A. , eine begabte Studentin aus Idaho, die mir in Oregon von einem Rahner-Schüler nachdrücklich empfohlen worden war, schon reiche Erfahrungen mit »Women’s Studies« in den USA hat und in Harvard ein theologisches Doktorat erwirbt (1982). Beide Frauen haben den Wunsch, im evangelischen oder katholischen Seminar eine kleine Ecke für feministische Literatur zur Verfügung gestellt zu bekommen – und stoßen an beiden Orten auf taube Ohren und faule Ausflüchte.
    Diesen Wunsch kann ich selbstverständlich sofort erfüllen: In unserem Institut für Ökumenische Forschung soll eine kleine Abteilung für feministische Literatur aufgebaut werden. Mir ist schon lange klar, dass die theologische Frauenforschung auch in der Bundesrepublik, wo sie noch weithin unbekannt ist, der Förderung bedarf. Die prononcierte Fragestellung »Frau und Christentum« wäre auch mir noch im Zweiten Vatikanischen Konzil, vor 20 Jahren eröffnet, nicht in den Sinn gekommen. Für die Frauenfrage waren die Theologen, war auch das Konzil blind. Die »Frau« als grundsätzliche Infragestellung der Weise, Theologie zu treiben und Kirche zu verstehen und zu praktizieren, war uns damals – auch mir persönlich – noch nicht einmal ein Problem.
    Ich war allerdings hocherfreut, als der Konzilsmoderator Kardinal LÉON-JOSEPH SUENENS , Primas von Belgien, in den von mir verfertigten Entwurf einer Konzilsrede über die Charismen in der Kirche selber den Satz einfügte: »Es mögen als Zuhörer (auditores) auch Frauen eingeladen werden, welche, wenn ich nicht irre (ni fallor), die Hälfte der Menschheit ausmachen.« Tosender Beifall in der Aula, und in der Folge werden dann auch einige »gut katholische« Frauen eingeladen. Zu sagen hatten sie allerdings nichts. Auch nicht zu den Fragen, die man gemeinhin mit der Frauenfrage identifiziert: Geburtenregelung, Zölibat, Zulassung der wiederverheirateten Geschiedenen zu den Sakramenten, Frauenordination … Alle diese Fragen durften auf Weisung Papst Pauls VI. im Konzil nicht diskutiert werden; sie alle wurden nach dem Konzil von Rom autoritär (meist mit Berufung auf dieses Konzil) negativ entschieden.
    Aber wie es so oft der Fall ist: Die Kirche kann das Rad der Zeit nicht anhalten. Davon war auch die Katholisch-Theologische Fakultät Tübingen überzeugt und veröffentlichte im Jahr 1976 in ihrer »Theologischen Quartalschrift« eine ganze Nummer über die Frau in der Kirche; ich steuerte dazu meine 16 programmatischen »Thesen zur Stellung der Frau in Kirche und Gesellschaft« bei, die in der Folgezeit immer wieder abgedruckt wurden (Bd. 2, Kap. VIII: Für eine Aufwertung der Frau).
    Unkonventionelle Forschung
    Angesichts dieser Lage Elisabeth Moltmann-Wendel und Bernadette Brooten nur den Platz für eine feministische Büchersammlung zur Verfügung zu stellen scheint mir nicht genug. Da keine einzige theologische Fakultät in der Bundesrepublik, weder katholische noch evangelische, sich der Frauenforschung annehmen will, sehe ich hier eine Chance für unser Institut für Ökumenische Forschung, zur ersten Institution für theologische Frauenforschung in Deutschland zu werden. So schlage ich denn im selben Gespräch meinen beiden Gesprächspartnerinnen vor, ein groß angelegtes Forschungsprogramm zu lancieren und die dafür notwendigen beträchtlichen Mittel bei einer Stiftung, etwa der Stiftung Volkswagenwerk, zu beantragen. Es sollte ein Projekt sein, das wie die ganze Arbeit an unserem Institut zwei Pole hat: die christlichen Ursprünge und die Probleme der Gegenwart. So sollte sich auch dieses neue Forschungsprojekt auf zwei Forschungsschwerpunkte konzentrieren: einmal die Frauenfrage in den Anfängen des Christentums und andererseits die Frauenfrage in der Christenheit des 20. Jahrhunderts.
    Die beiden Frauen stimmen begeistert zu. Frau Brooten will selber das erste der beiden Projekte bearbeiten, Frau

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