Erleuchteter Sex
heran und drückte mir einen Kuss, einen sehr feuchten, auf den Mund. Ja, wie das Küssen ging, das wusste ich. Ich nahm sie in den Arm und erwiderte ihre feuchten Küsse, rieb meine Zunge an ihrer. Sie befreite sich aus meiner Umarmung und zog sich in den Sitz zurück. Ich war mir nicht ganz sicher, aber sie schien enttäuscht. Was hatte ich falsch gemacht?
Ich ließ den Augenblick noch einmal Revue passieren. Was hatte ich getan, dass ihr die Lust vergangen war? Und dieses eine Mal musste sie gar nichts sagen. Ich kam von ganz alleine drauf: Ich hatte mich in der Leidenschaft unserer Küsse verloren und aufgehört, ihren Arm zu streicheln.
Sofort versuchte ich, meinen Fehler wiedergutzumachen. Schnell fing ich an, die Innenseite ihres Unterarms mit meinen Fingerspitzen zu liebkosen. Genauso, wie sie es mir gezeigt hatte. Doch es war vorbei. Es funktionierte nicht. Zwischen uns war nur Leere.
Ich streichelte ihren Arm, wie sie es mir beigebracht hatte, aber sie blieb eiskalt. Wer wollte ihr das verübeln? Meine Berührungen waren mechanisch, ohne Gefühl oder Raffinesse. Aber noch schlimmer war, dass ich es ihr recht machen wollte, dass ich hoffte, es richtig zu machen. Ich war ein braver kleiner Junge, der auf Lob von Mutti hoffte. Ich dachte, ich würde meiner Freundin geben, was sie wollte. Doch das, was sie wollte, war genau das, was ich ihr vorenthielt.
Ich kam nur langsam dahinter, was sie in sexueller Hinsicht von mir wollte. Ein paar Wochen später knutschten und rollten wir ziemlich lange auf dem Bett herum. Irgendwann forderte sie fiebrig und keuchend, mit feuchten Lippen und Schlafzimmerblick: »Sag mir, was ich tun soll.«
»Mach einfach, was du willst«, erwiderte ich.
»Ich tue alles. Alles!«, sagte sie hungrig, mit sengendem Atem.
»Na ja, ich will, dass du tust, was du willst«, sagte ich.
»Alles. Ich mache alles. Ich möchte dich glücklich machen«, flehte sie. Sie leckte meinen ganzen Körper, rieb sich an mir, wartete darauf, dass ich ihr sagte, was ich wollte.
»Sei einfach du selbst. Das mag ich am liebsten«, antwortete ich. Ich war mir sicher, dass sie meine Akzeptanz zu schätzen wissen würde.
Stattdessen rollte sie vom Bett, stapfte ins Badezimmer und knallte die Tür hinter sich zu.
Sowohl im Wagen als auch im Bett hatte sie spüren wollen, dass ich sie »erkannte«, dass ich sie zu neuer Offenheit und Lust führen würde. Sie hatte mir die Führung überlassen wollen, um das Kommando abgeben und sich ganz und gar der Lust der Liebe hingeben zu können. Aber im Wagen hatte ich mich im Sog ihres Kusses verloren, und sie hatte sich meiner Aufmerksamkeit, meines Einfühlungsvermögens und Verhaltens nicht mehr sicher sein können. Und als sie im Bett auf meinen »Befehl« gewartet hatte, hatte ich ihr die Wahl überlassen, von ihr selbst die Entscheidung verlangt, was sie wollte. Doch eben das hatte sie nicht gewollt.
Als Kind hatte man mich dazu erzogen, Jungen und Mädchen, Männer und Frauen gleich zu behandeln. Für mich bedeutete das, auch gleich mit ihnen umzugehen. Ich hatte einfach keine Ahnung, dass Gleichheit in intimen Beziehungen nicht sexy ist. Es dauerte eine Weile, ehe ich lernte, dass der Magnetismus der sexuellen Polarität auf dem Spiel der Anziehung zwischen maskulinen und femininen Kräften basiert, die zwar gleich stark, aber auch sehr unterschiedlich sind. Sex ist das Spiel mit den Unterschieden, ihrem Drängen und Ziehen, ihrer Deutung, Verbindung und lustvollen Vereinigung. Ein undefinierbarer Brei neutralisierter Gleichheit war keine Grundlage fürs Liebesspiel.
Das Männliche in jedem Menschen hat den Überblick, erinnert sich an sein eigentliches Ziel und ist so in der Lage zu sagen, wohin die Reise gehen soll. Das Weibliche im Menschen ist die Lebenskraft selbst, die Körper, Erde, Meer und Wind durchströmt. Sie zeigt sich in sinnlichem Fließen, ist die energetische Kraft der Natur und der Lebensfülle.
Meine Freundin hatte sich in ihre Weiblichkeit hinein entspannen, sich der Liebe hingeben wollen. Sie hatte spüren wollen, wie das wilde Licht der Liebe durch ihren Körper tanzte und ihn weit öffnete. Hatte den köstlichen Energiefluss zwischen unseren Herzen spüren wollen. Von Zeit zu Zeit hatte sie genug von ihrer männlichen Seite, genug davon, mir Anweisungen geben zu müssen. Manchmal wollte sie, dass ich das Ruder in die Hand nahm, damit sie frei fließen konnte wie der Wind und die Wellen, sich dem Auf und Ab sinnlicher Lust hingeben
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