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Erlöst mich: Thriller (German Edition)

Erlöst mich: Thriller (German Edition)

Titel: Erlöst mich: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Kernick
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und für einen Moment fühlte sie sich in seinen Armen geborgen.
    »Schön, dich zu sehen, Liebes.« Tina spürte, dass er den Zustand ihres Gesichts bemerkt, aber offenbar beschlossen hatte, nichts dazu zu sagen. Stattdessen nickte er beifällig ihren neuen Haarschnitt ab. »Und was verdanken wir die Ehre?«
    »Ich wollte euch einfach mal wieder besuchen«, erwiderte sie und setzte sich in einen der Sessel. Es war merkwürdig, in das alte Zuhause zurückzukehren, wo immer noch dieselben Fotos an der Wand hingen, die von einer glücklicheren Kindheit zeugten, wenn man drei Stunden zuvor fast von einem Unbekannten in der eigenen Badewanne ertränkt worden wäre.
    Plötzlich überkam sie ein kaum zu beherrschender Drang nach einem Drink. Ein großes Glas seidigen Riojas, den sie sich früher immer gegönnt hatte, wenn sie gut drauf war, das sie am liebsten in einem Zug leeren würde, damit der dadurch ausgelöste süße leichte Schwindel ihre Sorgen
wegspülte. Sie war seit einer Woche nicht mehr bei den Anonymen Alkoholikern gewesen und spürte, wie ihr beim Gedanken an ein Glas Alkohol das Wasser im Mund zusammenlief. Doch ihre Eltern waren mit dem Problem, das sie seit über sechs Jahren mit sich herumschleppte, vertraut, deshalb fühlte sie sich hier sicher. In ihrem Elternhaus würde sie ihrem Drang nicht nachgeben.
    Stattdessen bot ihr ihre Mutter eine Tasse Tee an, und die nächste Viertelstunde verbrachten sie plaudernd. Tina erzählte von ihrem Job, ein Thema, das ihre Eltern zu vermeiden suchten und deshalb auf neutralere Themen auswichen; die Nachbarn, die Familie ihres Bruders, das Golf-Handicap ihres Vaters. Obwohl die Unterhaltung sie hätte beruhigen sollen, fand Tina es schwierig, sich zu konzentrieren. Zu viel schwirrte in ihrem Kopf herum, vor allem eins: Was hatte Nick Penny vor seiner Ermordung entdeckt? Und warum wollten seine Killer auch sie umbringen, obwohl sie nichts in der Hand hatte, um Paul Wise zu belasten? Diese Fragen musste sie unbedingt beantworten.
    Als das Gespräch einen Moment stockte, weil ihrer Mutter die Themen auszugehen schienen, holte Tina den USB-Stick hervor und fragte ihren Vater, ob sie etwas ausdrucken dürfe. Fünf Minuten später saß sie an seinem Schreibtisch im Arbeitszimmer und studierte die Liste von Nick Pennys Telefonkontakten.
    In den früheren Rechnungen tauchten zahlreiche Anrufe nach Übersee auf, wo Wise’ Holdinggesellschaften unzählige Nummernkonten unterhielten. Wise wurde seit Längerem verdächtigt, die Einkünfte aus seinen illegalen Geschäften auch zu waschen. Sie erinnerte sich, dass Nick bei allen
seinen Anrufen eine Niete gezogen hatte und anfangs dennoch fest entschlossen schien, Wise vor Gericht zu bringen. Diese Entschlossenheit hatte Tina bewundert, und nun dämmerte ihr, wie naiv sie beide doch gewesen waren, als sie glaubten, Beweise zu finden, wo erfahrenere Stellen versagt hatten.
    Entsprechend wurden die Anrufe in den vergangenen Monaten weniger und weniger, die nach Übersee hörten sogar ganz auf. Nick hatte Tina gegenüber nie eingestanden, dass seine Entschlossenheit nachließ, aber es war wohl schwer gewesen, die Motivation aufrechtzuerhalten, wenn eine Tür nach der anderen zuschlug.
    In der Woche, bevor sie zuletzt miteinander gesprochen hatten, hatte er lediglich vier Anrufe getätigt und keinen mehr empfangen. Drei waren an Handys in Großbritannien gegangen, die er bereits zuvor angerufen hatte. Der vierte ging an einen Festnetzanschluss in Central London. Auch den hatte er bereits mehrere Male angerufen. Nichts Außergewöhnliches, so schien es.
    Dann kam sie zu den Anrufen der vergangenen sieben Tage, und Tina holte erwartungsvoll Luft, denn in diesem Zeitraum musste er seine Entdeckung gemacht haben. In dieser Woche hatte er acht Anrufe getätigt und zwei empfangen.
    Der letzte Anruf war an Tinas Handy gegangen, am Nachmittag zuvor, um Viertel vor fünf. Nur wenige Stunden, vielleicht sogar nur Minuten, bevor er starb. Sie runzelte die Stirn. Sie erinnerte sich nicht, eine Meldung über einen verpassten Anruf gesehen zu haben, wenngleich sie am Nachmittag in einer Besprechung gewesen war und das Handy ausgeschaltet hatte. Hatte er versucht, ihr etwas
mitzuteilen? Sie nahm ihr Handy, ging die Anruferliste durch und fand ihn sofort.
    »Scheiße«, flüsterte sie, überrascht, dass ihr das entgehen konnte. Allerdings waren während der Besprechung ein halbes Dutzend Anrufe aufgelaufen, drei allein von ihrer zögerlichen und

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