Erlösung
Sie atmete tief ein. Und ich tat es ihr unwillkürlich nach. Unnütze Angewohnheit. „Mir ist klar geworden, dass ich definitiv nicht bereit dazu bin, von dieser Welt zu verschwinden. Ich habe es in Erwägung gezogen, weil ich eine Weile dachte, dass es ein unabwendbares Schicksal wäre, in das ich mich fügen müsste. Doch dann habe ich dich kennengelernt und du hast gesagt, dass du mir eine zweite Chance geben könntest. Nicholas, ich liebe Dich und ich hätte alles für ein normales Leben mit dir gegeben. Es hätte mir gereicht, an deiner Seite älter zu werden, bis du mich nicht mehr gewollt hättest oder ich gestorben wäre, aber nur ein paar wenige Monate mit dir zu haben… das ist einfach nicht genug.“ Ihre Augen wurden glasig und ich spürte, dass es sie etwas Mühe kostete, nicht zu weinen.
„Engel…“, hauchte ich, aber sie gab mir zu verstehen, dass sie noch etwas sagen wollte.
„Wenn du es also immer noch willst…und die Ältesten es dir ausnahmsweise erlauben sollten, dann“, Lesley drückte sachte meine Hand, „werde ich bereit dafür sein. Sobald du wieder da bist oder wann du willst. Ich…ich wollte nur, dass du das weißt, für den Fall, dass es dir noch so wichtig ist. Ich meine, sofern du mich immer noch zu einem Vampir machen willst?!“ War das eine rhetorische Frage?
Ich hob ihre Hand an meinen Mund und ich küsste ihre weiche Haut. „Das bedeutet mir mehr als du dir vielleicht vorstellen kannst!“
Sie wirkte beinahe erleichtert. „Ich hoffe nur, dass ich dir als Vampir nicht mehr so viele Probleme bereiten werde.“ Ihr bezauberndes Lächeln blendete meinen Verstand für einen kurzen Augenblick fast komplett aus. Meinem Gewissen war die volle Bedeutung ihrer Worte aber natürlich bewusst. Sie wollte eine von uns werden, unwiderruflich und für alle Zeit, das war alles, was ich wollte. Deshalb stand in jener Sekunde mein Plan: Ich würde nach Zürich reisen und erneut bei den Ältesten vorsprechen. Nach diesem ganzen Chaos um Macht und Verrat konnten sie meiner Bitte doch nachkommen. Was sollte ein Einzelfall denn ausmachen? Meine innere Stimme unterbrach diesen kurzen Gedankengang, - sie verhöhnte mich. Würde der Rat wirklich eine Ausnahme machen? Oder würde ich Liz verwandeln und uns beide damit für vogelfrei erklären? Das würde uns zu einem Leben auf der Flucht verdammen. Immer mit der Gewissheit, dass wir Gejagte wären. War das eine Alternative, die ich ihr zumuten konnte? Die Antwort würde warten müssen. Es war an der Zeit aufzubrechen, und ich versuchte, die Erinnerung an die unheilvolle Prophezeiung von vorhin vollständig aus meinen Gedanken zu verbannen. Ich musste mich auf meinen Auftrag konzentrieren, ob ich nun wollte oder nicht.
Rückkehr einer Toten
Es fühlte sich seltsam an, als ich das Anwesen der Ältesten betrat. Mein letzter Besuch in Zürich lag noch nicht lange zurück und ich hatte nicht erwartet, so schnell wiederzukommen. Und die Umstände waren auch dieses Mal leider alles andere als gut. Ich hatte meinen Engel zurückgelassen, und auch wenn Vincent mir versichert hatte, dass Lesley in Sicherheit sein würde, so fühlte sich mein Innerstes dennoch aufgewühlt an. Nach dem letzten Debakel hatte ich mir geschworen, nur noch selbst für ihren Schutz zu sorgen, aber der Rat wollte mich sehen und ich musste mich beugen. Die ganze Sache mit Peter und Alexander Crane war regelrecht ausgeufert und ich wollte sie ebenso zu Ende bringen wie die Ältesten. Die Zeiten hatten sich sehr verändert. Ich hatte meinen besten Freund verloren, weil er nun der falschen Seite diente und auch wenn ich es nicht so recht zugeben konnte; er fehlte mir. Bis vor wenigen Monaten war mein Leben nicht so kompliziert gewesen. Ich versuchte meine wirren Gedanken zu ordnen und mein Gewissen zum Schweigen zu bringen, bevor ich die Eingangstür der Villa öffnete.
Vincent kam mir in der Empfangshalle bereits entgegen. In seinem maßgeschneiderten Anzug wirkte er beinahe erhaben, so als könnte ihn nichts aus der Bahn werfen. Wie schaffte er das bloß?
„Mein Junge, es tut gut, dich hier zuhaben.“ Seine fast schon väterliche Begrüßung nahm mir in diesem Moment ein wenig die Last von den Schultern. Die Dinge würden sich irgendwie regeln lassen, beruhigte ich mein nervöses Gewissen. Das hatten sie bisher schließlich immer.
„Und ich bin froh, dich zu sehen“, entgegnete ich ehrlich.
„Komm“, er bedeutete mir, mit ihm zu gehen. „Der Rat ist
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